Die Herrin der Rosen - Historischer Roman
schicken, doch er fürchtet, dass er nichts unternehmen kann.« Er sah verstohlen zu mir. »Die Königin hegte bereits einen Verdacht in diese Richtung und hat ihn und seine Gefolgsmänner unter Bewachung gestellt.«
»Euch eingeschlossen?«
»Mich eingeschlossen.«
»Dann liegt es in Gottes Hand, nicht wahr?« Mich erstaunte, dass meine Stimme nicht zitterte, obwohl mir die Ohren dröhnten von meinem Herzschlag und meine Gedanken in tausend Richtungen zugleich strebten.
5
H INTERHALT , 1456
Als ich mit gesenktem Kopf und völlig aufgelöst den Weg an der Hecke entlang zurück zu meiner Kammer lief, stieß ich gegen jemanden und murmelte eine rasche Entschuldigung.
»Ah, es ist die Schönheit aus Cambridgeshire«, sagte der Duke of Somerset zu seinem Gefährten, blieb stehen und betrachtete mich freundlich. Dem Anschein nach hatte er seine vorherige Feindseligkeit vergessen. »Eure Entschuldigung wird angenommen, Mylady, aber nur, wenn Ihr Buße tut, indem Ihr meine Gesellschaft für wenige Momente erduldet.«
»Sehr wohl, Durchlaucht.« Ich machte einen Knicks und senkte den Blick.
»Nun, wohin wollt Ihr in solcher Eile, Mylady? Doch nicht zu einem Tête-à-tête, hoffe ich?«
»Nein, Mylord. Nur zu meiner Kammer. Mir ist nicht wohl.«
»Das gefällt mir gar nicht, wenngleich mir sehr gefällt, dass Euch keine dringende Verpflichtung ruft.«
Ich sah ihn an, wollte ich doch nicht unhöflich erscheinen.
»In Cambridgeshire züchten sie sehr hübsche Rosen, meint Ihr nicht auch, Egremont?«, fragte er den Mann neben sich.
Mich überkam eine prompte Abneigung gegen Somersets Gefährten Thomas Percy, den Lord Egremont, dessen schmales Gesicht von einer langen Nase beherrscht wurde, die ihm das Aussehen einer Ratte verlieh. Noch dazu betrachtete er mich mit befremdlich trüben Augen und einem Lächeln, bei dem er zahlreiche Zahnlücken zeigte. Er war sicher zehn Jahre älter als Somerset, und wie dieser hatte er seinen Vater Henry, den Earl of Northumberland, in der St-Albans-Schlacht verloren. Zweifellos hatte der gemeinsame Verlust sie einander trotz des Altersunterschiedes nähergebracht.
»So ist es, fürwahr«, antwortete Egremont. Er beugte sich vor, um mir die Hand zu küssen, und ich fühlte sein fettiges, ungekämmtes Haar, das ihm über die Schultern hing und bei der Bewegung nach vorn fiel. Ich musste an mich halten, nicht zurückzuschrecken. »Wie wäre es mit einem privaten Abendessen in Eurer Kammer, wo ich mich zu Euch gesellen kann?«, fragte er Somerset in einem Ton, der nichts zu verschleiern trachtete.
»Es wird kein Abendessen geben, Egremont. Hier habt Ihr nicht irgendeine Dame vor Euch und gewiss keine, die Ihr Euch zu Willen machen dürft. Sie ist die Nichte John Tiptofts, des Earl of Worcester, und sie steht sowohl unter meinem Schutz als auch dem der Königin.« Er warf Egremont einen Blick zu, bei dem Besagter einen Schritt zurücktrat und beide Hände zu einer spöttischen Unterwerfungsgeste erhob. Wie schlau von Somerset, sich vor dem Freund als ehrbarer Ritter zu präsentieren, nachdem er mir erst den Abend zuvor das gleiche beleidigende Angebot gemacht hat!, dachte ich. Mein Rücken versteifte sich.
»Ihr dürft versichert sein, dass ich Eure Tugend achte, Mylady«, sagte Somerset und küsste meine Hand. Dabei hatte er ein amüsiertes Funkeln in den Augen, das einzig unserem Geheimnis gelten konnte.
Ich nahm mir einen Moment, um Atem zu schöpfen und mich zu fangen, während ich Somerset nachblickte. Wie ich sein arrogantes Stolzieren hasste!
Ursula erschien neben mir. »Seid auf der Hut, Mylady!«, flüsterte sie, während wir zum Schloss gingen. »Er begehrt Euch, aber die Königin will ihn für sich, und die Leute beginnen schon zu reden.«
Ich nickte. Ja, bei Hofe lauerten überall Fallen.
Wir schritten durch den Tempelgarten und stiegen die Treppe hinauf in den ersten Stock. Als wir uns dem Korridor zu unserer Kammer näherten, trennte sich Ursula von mir, um den Abort aufzusuchen. Allein in unserer Kammer, überlegte ich fieberhaft. Ich wusste, was ich zu tun hatte, nur nicht, wie ich es anstellen sollte. Meine Schläfen pochten. An die Tür gelehnt, versuchte ich, ruhig zu atmen und mich auf das zu konzentrieren, was Norris mir erzählt hatte. Da fiel mein Blick auf meine Truhe. Ich lief hin, klappte den Deckel auf und wühlte in meinen Sachen, bis ich Sœur Madeleines alten Habit gefunden hatte, den sie hiergelassen hatte, als Ursula ihre Dienste übernommen
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