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Die Herrin des Labyrints

Die Herrin des Labyrints

Titel: Die Herrin des Labyrints Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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das hört sich schon ganz anders an. Jetzt zeig mir noch einmal die Münze.«
    Zu einem irgendwie weiterführenden Ergebnis kamen wir jedoch diesen Abend nicht, aber ich nahm die Münze mit hoch und legte sie auf meinen Nachttisch.
    Es hatte eine wunderliche Wirkung.

KAPITEL 47

    Labyrinth-Traum
    Trotz der emotionalen Anspannung und trotz tobendem Gewitter schlief ich sofort ein, als ich das Licht ausgeschaltet hatte. Zumindest in den ersten paar Nachtstunden befand ich mich in einem erholsamen, traumlosen Zustand. Aber dann weckte michirgendein Geräusch, und ich starrte auf das nachtgraue Viereck des Fensters. Ich hatte wie üblich nur die Gardinen zugezogen, ganz im Dunkeln mochte ich nicht schlafen. Der Wind blähte den leichten Stoff, und monoton tröpfelte Wasser auf die Fensterbank. Ich stand auf und zog die Vorhänge zur Seite, um einen Blick nach draußen zu werfen. Das Gewitter hatte sich verzogen, doch über den Nachthimmel strichen noch immer sturmgepeitschte Wolkenfetzen dahin, zwischen denen vereinzelt Sterne aufblinkten. Es war kühl geworden, und ich fröstelte leicht. Aber der Anblick hielt mich gefangen, und meine Gedanken stiegen auf zu den fernen Weiten dort über den Wolken. Es zog mich nach draußen, und ohne auf meine bloßen Füße und das leichte Nachthemd zu achten, lief ich hinaus in die Stille, eilte die Straße hinunter zu den Feldern, weit hinaus zu den wilden Wiesen. Der Weg war steinig und voller Pfützen, er schwang sich in einem sanften Anstieg in weiten Kreisen einen Hügel hinauf. Es strengte mich nicht an, diesem Pfad zu folgen, und als ich schließlich auf dem Hochplateau stand, packte mich eine unbändige Freude. Ich verhielt meine Schritte, um über das weite, dunkle Land zu schauen. Es gab keine irdischen Lichter mehr in der Ferne, die den Glanz der Sterne gedämpft hätten, und über den Himmel ergoss sich das sanft schimmernde Silberband der Milchstraße bis hin zum Horizont. Vor mir ragten ein paar vereinzelte Felsen, rund geschliffen von Wetter und Zeit, wie gebleichte Knochen aus der Grasnarbe und luden zum Sitzen ein.
    Es war Stille um mich, aber keine Bewegungslosigkeit. Wann die beiden Frauen gekommen waren, hatte ich nicht bemerkt, aber nun standen sie da, mitten auf der flachen Anhöhe des Hügels. Ich konnte nur ihre Konturen erkennen, denn sie trugen lange, gerade fallende Kleider und hatten die Haare mit Schleiern bedeckt. Eine Weile standen sie sich unbeweglich gegenüber, dann aber drehten sie sich voneinander weg und begannen gleichzeitig sich in einem Kreis umeinander zu bewegen, bis sie sich wieder gegenüberstanden. Die eine wendete sich dann in einem noch kleineren Kreis nach innen, die andere in einem größeren Kreisbogen nach außen. Als sie sich das nächste Mal begegneten,kreuzten sich ihre Wege, und sie schritten wieder gegeneinander in weiteren Kreisen um eine unsichtbare Mitte. Wieder und wieder umwanden sie sich und begegneten sich, bis sie ihr stummer Tanz immer weiter an meinen Sitzplatz heranführte. Hier blieben sie plötzlich stehen, die Gesichter einander zugewandt. Mit einer raschen Bewegung streiften sie die Schleier von den Haaren, und in einem letzten Aufblitzen des Erkennens sah ich, dass sich bei einer von ihnen eine weiße Strähne von der Schläfe durch die dunklen Haare zog. Dann wurde alles dunkel um mich, und ich schwankte. Mit einem reflexartigen Griff wollte ich mich festhalten und stieß an etwas Hartes.
    Mit einem Poltern fiel der Wecker von meinem Nachttisch, ich wachte auf.
    Mehr als verwundert stellte ich fest, dass ich offensichtlich das Bett nicht verlassen hatte. Die Vorhänge waren geschlossen, meine Füße warm und sauber, und draußen hörte man das leise Brummen einiger Fahrzeuge. Ich knipste das Licht an, um mich davon zu überzeugen, dass ich dieses Mal wirklich wach war, und hob den Wecker auf. Es war vier Uhr, bemerkte ich, und als ich ihn wieder auf die Ablage stellte, fiel mein Blick auf die Münze. Ein winziger Gedankenblitz zuckte in diesem Moment auf. Dieser Traum – so eine ähnliche Szene hatte ich schon einmal gesehen. Mühsam versuchte ich mich zu erinnern. Ja, in dieser seltsamen Dämmerphase zwischen Bewusstlosigkeit und Schlaf, als ich im Krankenhaus gelegen hatte, hatte ich von einer tanzenden Gruppe geträumt, die von einer Frau angeführt wurde, die ebenfalls eine weiße Strähne im Haar hatte. Wie ich.
    Aber was hatte das zu bedeuten?
    Ich tastete nach meiner Schläfe, zog die weiße Strähne aus

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