Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Herrin des Labyrints

Die Herrin des Labyrints

Titel: Die Herrin des Labyrints Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
Vom Netzwerk:
machen«, konnte ich mir nicht verkneifen und erntete ein schiefes Grinsen von ihm.
    »Ich werd’s versuchen. Sag mir Bescheid, sobald du weißt, was du mit deinem Anteil machen willst.«
    »Tue ich. Ist Nicole inzwischen ausgezogen?«
    »Nein, aber sie wird bis Ende der Woche draußen sein, dafür sorge ich noch.«
    »Gut, mir ist es nämlich aus verschiedenen Gründen nicht recht, dass sie sich dort noch aufhält.«
    »Ich kümmere mich darum. Eine Wohnung habe ich schon für sie gefunden.«
    Nandi stand auf, und ich brachte ihn noch an die Tür. Er tat mir ein bisschen leid. Vor ihm lag keine einfache Zeit, und Valerie, ganz samtumhüllte Stahlseile, würde kein sanftes Ruhekissen für ihn werden. Sie hatte jetzt die Regie in seinem Leben übernommen, war mein Eindruck.
    Henry, der dem Gespräch kommentarlos zugehört hatte, nickte mir anerkennend zu.
    »Das war richtig, Amanda. Mag ja sein, dass Nandi es eilig hat, an Geld zu kommen, aber unter Druck setzen lassen darfst du dich nicht. Nimm dir die Zeit, die du brauchst.«
    »Es ist ein bezauberndes Haus, Henry. Es würde dir gefallen. Jugendstil, ein paar wunderschöne Fenster mit Blumenmotiven, ein prächtiger Garten …«
    »Wie viele Quadratmeter?«
    »Oh, ich schätze mal, dreihundert oder vierhundert, wenn man die Mansarden mitnutzt.«
    »Genau das, was ein alleinstehender älterer Herr so braucht, meintest du das?«
    »Das Alleinstehende könnte sich ja ändern …«
    »Was meinst du damit, Amanda?«
    »Gott, ja, man kann auch im fortgeschrittenen Alter noch Neigungen entwickeln, findest du nicht?«
    »Erzähl doch mal, was in dem Umschlag war, den Gita für dich hinterlassen hat?«
    »Henry, ich finde, das war unfair abgelenkt. Aber ich akzeptiere diese Taktik. Natürlich nicht, ohne mir meinen Teil dabei zu denken. Ich hole dir den Brief, den sie geschrieben hat. Mich hat er wirklich beeindruckt.«
    Henry las ihn langsam zweimal durch und legte ihn dann behutsam wie eine Feder auf den Tisch.
    »Eine kluge Frau, finde ich. Sehr diszipliniert, wenn man bedenkt, wie sehr sie sich danach gesehnt haben muss, dir die Wahrheit zu sagen.«
    »Ja, und ich stehe jetzt vor einem ganz neuen Gefühl der Trauer und dem Bedauern, nicht früher um meine Verwandtschaft mit ihr gewusst zu haben.«
    »Ich glaube nicht, dass sie Trauer und Bedauern auslösen wollte. Wenn du aber das Gefühl hast, noch etwas für sie tun zu können, dann befolge ihre Ratschläge.«
    »Ich habe sie doch schon befolgt. Ich meine, ich suche wie verrückt nach dem Rätselwort, und verdammt, Halima hat die Lösung und sagt sie mir nicht. Soll ich ihr Daumenschrauben anlegen?«
    »Halima kennt die Lösung?«
    »Stell dir vor. Meine hochverehrte Lehrerin, die mich leitet, führt und bemuttert, enthält mir den geheimnisvollen Namen der Tänzerin vor, windet sich dabei auch noch in Lachkrämpfen und erklärt mich für geistig minderbemittelt, weil ich auf eine so einfache Lösung nicht komme.«
    »Dann wird sie wohl auch ihre Gründe haben.«
    »Ich bin das langsam leid, dass jeder meint, mich erziehen zu müssen.«
    »Beruhige dich wieder, Amanda. Ich rede mit ihr. Wie sieht es mit den anderen Vorschlägen von Gita aus?«
    »Dass ich mit Damon zusammentreffen soll? Ist doch schon passiert.«
    »Ja, sicher. Aber es gibt ziemlich viel Unausgesprochenes zwischen euch, das vielleicht mal auf den Tisch sollte.«
    »Manches können wir eben noch nicht aussprechen, denke ich. Das liegt nicht nur an mir, Henry. Aber ich werde es bald in Angriff nehmen.«
    »Tu das. Und jetzt verrate mir mal, was Gita mit der Geschichte für deine Tochter meint. Hast du mir noch einen Sprössling verschwiegen?«
    »Diese kryptische Äußerung kann ich dir auch nicht näher erläutern. Außer dass sie wirklich Gitas Wunschdenken entspringt und sie meine noch ungeborenen Kinder meint, deren Schatten sie schon an der Wand sah.«
    Ich selbst verdrängte mit großer Leichtigkeit die Frage, ob ich noch eine Tochter haben wollte oder nicht.

KAPITEL 63

    Göttliche Berührung
    Die Fledermäuse waren aus dem Tempel verjagt, Ariadne war wieder zum stummen Bildnis geworden, und die Göttin strich unruhig die Windungen des Labyrinths entlang. Etwas hatte sich verändert. Jemand suchte nach ihr. Sie fühlte ein Ziehen, eine Ahnung, eine Sehnsucht. Es machte sie kribbelig, es machte sie hungrig, und es raubte ihr die Geduld. Und schließlich sagte sie laut: »Ich werde meinen Geliebten in das Labyrinth locken. Von alleine kommt er ja

Weitere Kostenlose Bücher