Die Herrin des Labyrints
Ereignisse, und das Suchen wurde überflüssig.
Als ich am darauffolgenden Mittwoch gegen Abend von meinem nachmittäglichen Aufenthalt in der Unibibliothek zurückkam,fand ich Isabell in meinem Haus vor, die sich äußerst angeregt mit Ulli unterhielt.
»Oh, schön, dass du kommst, Bap – pardon, Amanda! Ich bin einfach mal völlig unangemeldet vorbeigekommen, um zu schauen, wie es dir geht.«
»Ganz gut, bist du schon lange hier?«
»Ach nein, nur ein paar Minuten. Oder? Da schau her, wie die Zeit verfliegt! Ich bin schon fast eine Stunde hier. Wir haben uns so gut unterhalten, dein Ulli und ich.«
»Vorsicht, Ulli! In früheren Zeiten hat eine solche Bemerkung immer bedeutet, dass Isabell auf Kaperzug ist. Sie hat eine Seeräuberseele.«
Ulli grinste abwehrend und stand dann auf.
»Ihr beide wollt sicher in Ruhe miteinander plauschen. Ich gehe mit Patrick eine Pizza essen.«
»Ist recht. Magst du noch einen Tee oder Kaffee?«, fragte ich Isabell, froh, wieder eine Ausrede vor mir selbst zu haben, jenen schwierigen Brief nicht schreiben zu müssen. Dann saßen wir zusammen, und es war, als ob die vergangenen elf Jahre nicht stattgefunden hatten. Da Nicole nicht mehr für mich ansprechbar war und ich mit Halima keinen Kontakt haben wollte, freute ich mich, dass wenigstens diese Freundin aus der Vergangenheit wieder aufgetaucht war. Es war gut, mit jemandem reden zu können, und so berichtete ich ihr auch von der eigenartigen Suche nach Josianes Tochter und meiner eigenen Rolle darin.
»Wahnsinn, Amanda. So was passiert ausgerechnet dir! Ich hatte dich immer für ziemlich – na ja – bieder und ein bisschen langweilig gehalten. Und jetzt machst du eine solche abenteuerliche Entdeckung.«
»Nun ja, ganz sicher bewiesen ist es nicht, aber es spricht viel dafür, dass ich wirklich Josianes Tochter bin.«
»Und eine reiche Frau!«
»Na, das wohl nicht.«
»Wieso? Du erbst doch dann von deiner Großmutter ein Vermögen, oder sehe ich das falsch?«
Die ganze Zeit hatte ich mich mit dieser kleinen, egoistischenSuche nach meiner Identität herumgeschlagen, der wichtigste materielle Aspekt der ganzen Angelegenheit war mir überhaupt noch nicht ins Bewusstsein gedrungen.
»Du wirst mir nicht glauben, aber darüber habe ich noch gar nicht nachgedacht.«
»Weltfremd, völlig weltfremd! Aber um dich auf solche praktischen Dinge aufmerksam zu machen, hast du ja mich. Was musst du denn tun, um an die Knete zu kommen?«
»Das Testament sieht vor, dass sich die Erbin bis zum 31. Juli dieses Jahres ausweisen muss. Ich habe allerdings noch keine Ahnung, wie ich das hinkriegen soll.«
»Nun, zumindest hast du diese ägyptische Zeugin.«
»Das hilft nur nichts, ich müsste auch eine Geburtsurkunde oder so etwas haben. Und die scheint verschwunden zu sein.«
»Hast du den Nachlass deiner Eltern schon durchgesehen?«
»Das Haus habe ich von oben bis unten durchgewühlt. Das Einzige, was ich inzwischen noch herausgefunden habe, war die Bestätigung, dass meine Adoptivmutter wirklich zu jener Zeit in dem Krankenhaus beschäftigt war, in dem Halima mich abgeliefert hat.«
»Mh. Detektivarbeit?«
»Ungern.«
»Was ist mit dem Vater?«
»Den kennt auch niemand, auch Halima hat ihn nie gesehen.«
Isabell grübelte eine Weile und rührte methodisch in ihrem erkalteten Kaffee herum, wie sie es früher auch immer gemacht hatte, wenn sie angestrengt nachgedacht hatte.
»Es muss Unterlagen gegeben haben, Amanda. Diese Halima hat doch Papiere eingepackt.«
»Vielleicht waren es nur alte Rechnungen oder so was. Sie hatte keine Zeit, sie zu entziffern.«
»Vielleicht war es auch etwas anderes. Außerdem war da ja wohl noch diese Münze, die muss doch etwas zu bedeuten haben. Könnte es nicht sein, dass dem Testamentsverwalter die als Nachweis reicht?«
»Das kann ich dir erst dann sagen, wenn ich sie habe und ihmvorlege. Aber selbst wenn meine Adoptiveltern sie gefunden haben, wäre es ja auch möglich, dass sie sie einfach weggeworfen haben.«
»Na, warum denn? Dein Vater war ein gebildeter Mann, der wird eine antike Münze schon als solche erkannt haben.«
»Dann frage ich mich, warum sie mir die Zeugnisse meiner Identität vorenthalten haben.«
»Tja, vielleicht hättest du sie intensiver danach befragen müssen. Oder sie hatten Angst, dass du etwas Böses dadurch herausfinden würdest. An deiner Stelle würde ich noch mal weitersuchen, im Zweifelsfall jedes einzelne Blatt eines jeden einzelnen Ordners umwenden,
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