Die Herrin des Labyrints
mich in den nächsten Tagen mal. Patrick hat mir eure Telefonnummer gegeben. Ciao!«
»Ich finde auch, wir wären besser in die Computerausstellung gegangen, Baba. Könnten wir nicht jetzt noch dahin gehen?«
»Ich werde mich erst mal um Nicole kümmern müssen.«
»Das habe ich geahnt!«
Resigniert ließ Patrick sich auf einen Stapel Läufer sinken und schob die Unterlippe vor.
»Ich bleib nicht lange. Wirklich!«
Der kleine Schlawiner grinste mich böse an und meinte nur: »Das sagst du Ulli auch immer.«
»Pass auf, dass ich dich nicht in einen Teppich einrolle und verkaufe.«
Ich lief zu dem Vorhang, hinter dem Nicole verschwunden war, und fand sie in dem Büro des Marktleiters in Tränen aufgelöst auf dem Boden sitzen.
»Nicole, Nicole! Das passiert schon mal. Komm, wasch dir das Gesicht und zieh dich um. Wir verschwinden durch den Hintereingang. Dich erkennt doch später niemand wieder.«
»Geh weg!«
»Nicole, ich will dir helfen. Es tut mir leid, dass das geschehen musste, aber du hättest doch merken müssen, dass Jamila das so gewollt hat.«
»Jamila hat gesagt, ich kann tanzen«, schniefte Nicole. »Ja, weil du das Gegenteil ja nicht hören wolltest. Das war zwar link, aber ihre einzige Möglichkeit, dir das klarzumachen.«
»Hat sie dir das gesagt?«
Mit nassen verschmierten Augen sah sie mich von unten an. »Hat sie. Auf dem Bazar.«
»Und du hast mir nichts davon gesagt? Du mieses, verlogenes, stinkendes Stück Mist! Du dreimal verfluchte blöde Zicke hast …«
»Reiß dich zusammen! Hättest du mir denn geglaubt?«
»Hau ab! Mach, dass du wegkommst. Ich will dich nicht mehr sehen!«
Ich tat, wie sie wünschte, und schimpfte mit mir selbst, weil ich meinen Mund nicht gehalten hatte.
Patrick saß noch da, wo ich ihn zurückgelassen hatte, und verknotete die Fransen zweier Teppiche sehr fachgerecht.
»Sie heult«, stellte er lakonisch fest. »Und sie will nicht von dir betüttelt werden.«
»Stimmt.«
»Dann gehen wir jetzt ins Museum?«
»Nein, wir machen einen Spaziergang durch die frische Luft.«
»Wie öde. Aber dann kannst du mir ja dabei ein paar Fragen beantworten.«
»Das weiß ich noch nicht.«
Wir verließen das Teppichhaus und wanderten Richtung Stadtpark.
»Du hast meinen Vater letzte Woche getroffen, nicht wahr?«
»Kein Kommentar.«
»Baba, ich habe ein Recht darauf, ihn kennenzulernen, oder?« Das hatte er sicher, aber ich wollte es nicht. Jetzt schon gar nicht mehr.
»Wenn ich kein Recht habe – ich weiß ja, dass Kinder keine Rechte haben –, dann könnte er sich ja eventuell für mich interessieren. Hat er nicht nach mir gefragt?«
»Nein, hat er nicht.«
Patrick ließ die Schultern hängen, und mir wurde plötzlich klar, dass diese Nachricht ihn wirklich kränkte.
»Ich … wir haben nicht viel miteinander geredet, Patrick.«
»Ach so. Was habt ihr denn dann gemacht?« Himmel, was für eine Frage! Mir schoss die Röte ins Gesicht, und ich wandte mich von Patrick ab.
»Oh, so war das also. Das erklärt ja dann wohl auch, warum Ulli so einen Terz gemacht hat.«
»Das verstehst du nicht«, murmelte ich. »Das war etwas ganz anderes.«
»Was verstehe ich nicht? Hör mal, ich weiß, wie das mit denBienen und den Blümchen ist. Baba, warum bist du mit meinem Vater so verzankt?«
»Weil es Menschen gibt, die nicht miteinander auskommen können.«
»Vielleicht würde ich mich aber gut mit ihm verstehen? Ich möchte einfach ganz gerne wissen, wie er ist. Würdest du das von deinem Vater nicht auch wissen wollen?«
Mir lag auf der Zunge zu sagen, dass ich meinen Vater sehr wohl kannte.
Aber da fiel mir ein, dass ich genau das gleiche Problem hatte. Meinen leiblichen Vater kannte ich auch nicht. Ich seufzte und blieb stehen, um meinen Sohn anzusehen.
»Gut, Patrick. Ich werde mich auf irgendeine Weise darum kümmern, damit du ihn kennenlernst. Aber bitte nicht sofort und gleich. Gib mir ein bisschen Zeit, ja?«
»Versprichst du es?«
»Ich muss viel versprechen in der letzten Zeit.«
»Du machst ja auch viele komische Sachen. Und können wir jetzt ins Museum gehen, ich habe soviel frische Luft eingeatmet, dass ich gleich platze.«
Wir gingen nicht ins Museum. Eine Mutter muss sich wenigstens manchmal durchsetzen!
KAPITEL 28
Die Münze und eine Vision
Ich nahm mir fest vor, Damon einen Brief zu schreiben, aber vier Tage lang schob ich es immer wieder vor mir her, seine Adresse herauszufinden. Schließlich überrollten mich dann aber die
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