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Die Herrin des Labyrints

Die Herrin des Labyrints

Titel: Die Herrin des Labyrints Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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wildfremden Menschen aufzubürden.Wo ich doch jetzt einen greifbaren Vater habe und nicht nur so ein virtuelles Teil auf einer Geburtsurkunde.«
    Kopfschüttelnd, aber erheitert fragte ich: »Kind, wo lernst du solche Worte?«
    »Was? Virtuelles Teil? Das gehört doch zum Allgemeinwissen. Also, abgemacht?«
    »Besuch dein greifbares virtuelles Teil mit Katz und Kegel. Dann lernt er mal, was es bedeutet, einen Anteil an der Erziehungslast zu übernehmen.«
    Eine dreistündige Zugfahrt lang überlegte ich mir die unterschiedlichsten Fragen an Henry Vanderhorst, aber zwischendrin schweiften meine Gedanken auch immer wieder zu Patrick und Damon ab. Hatte ich einen Fehler gemacht, indem ich meinem Sohn den Vater vorenthalten hatte? Trotz all der Schwierigkeiten, die ich mit Damon gehabt hatte, er hatte sicher ein Recht darauf, zu erfahren, wie sich das Kind entwickelte. Wahrscheinlich hatte er wirklich befürchtet, ich würde meinen Ärger über ihn auf Patrick übertragen. Aber das war mir wahrhaftig nie in den Sinn gekommen. Patrick war mein Sohn, und ich liebte den kleinen Jungen vom Tag seiner Geburt an. Manchmal vielleicht zu sehr, und das mochte seine Ursache darin haben, dass ich mich immer nach leiblichen Eltern gesehnt hatte, Idealfiguren meiner Träume, die so ganz anders waren als meine rechtschaffenen Adoptiveltern. Nun hatte ich erfahren, wer meine Mutter war, und ich bedauerte zutiefst, dass Gita mir nicht mehr von ihr erzählt hatte. Nandi mochte ich nicht weiter über sie ausfragen, einerseits, weil er sie nur als Junge gekannt hatte, zum anderen aber auch, weil er mir einfach nicht so sonderlich sympathisch war. Wieder beschlich mich das Gefühl, ich könne eventuell einen Fehler damit gemacht haben, Nicole von dem Fortschritt meiner Suche berichtet zu haben. Wenn Nandi der Charakter war, für den ich ihn hielt, dann würde er jetzt alles daran setzen, dass sich niemand formal ausweisen konnte. Er hatte ja schon das eine oder andere Mal den Anlauf unternommen, mich von der Suche nach der Erbin abzubringen. Aber was geschehen war, war geschehen, ich konnte es jetzt nicht mehr ändern. Vielleicht würde Nandi ja auch dasErgebnis akzeptieren. Mit diesem blauäugigen Gedanken stand ich auf, um meine Tasche von der Gepäckablage zu heben und auszusteigen.
    Wir hatten uns am Treffpunkt im Bahnhof verabredet. Ich hatte Henry Vanderhorst auf meine weiße Haarsträhne aufmerksam gemacht, die manchmal als ein ausgesprochen nützliches Erkennungsmerkmal diente. Ein schlanker, recht großer Mann in einem grauen Anzug wartete an dem als Treffpunkt ausgewiesenen Stand und kam mir entgegen, sowie er mich erblickt hatte. Er stützte sich auf einem Stock ab, hinkte aber nur ganz unmerklich. Sein Gesicht war gebräunt, eine Farbe, die nicht von Sonnenbank, sondern von Gartenarbeit sprach, und er hatte volles, lockiges graues Haar, das einmal bestimmt schwarz gewesen sein musste.
    »Frau Ellingsen-Reese?
    »Die bin ich. Sie sind also Henry Vanderhorst. Vielen Dank, dass Sie mich eingeladen haben.«
    »Nichts zu danken, und herzlich willkommen. Ist das alles Gepäck, das Sie haben?«
    »Nun, ich wollte keine drei Monate hier verbringen.« Er lachte, und ich sah, dass sich dabei die Falten in seinem Gesicht vertieften. Schön, das waren also nicht die Spuren unauslöschlichen Grams, die sich eingegraben hatten. Er führte mich über den Parkplatz zu seinem Wagen, und während er sich höflich über die Reise, das Wetter und einige örtliche Besonderheiten ausließ, fädelte er sich gekonnt durch den Berufsverkehr, bis wir die Stadt verlassen hatten.
    »Ich entführe Sie aus der Zivilisation, direkt hinaus auf das platte Land. Ich habe zu lange in Städten gewohnt, und wir waren dann ganz zufrieden damit, in einem kleinen Dorf zu leben.«
    »Mich stört das nicht, Herr Vanderhorst, mein Häuschen steht auch in einem beinahe ländlichen Vorort. Es ist zwar ganz praktisch, eine größere Stadt in der Nähe zu haben, all die Einkaufsmöglichkeiten und die Infrastruktur und so weiter, aber wohnen möchte ich da nicht.«
    »Ja, nur fürchte ich, meine Idylle werde ich über kurz oder lang aufgeben müssen. Sie werden gleich sehen, ich bewohne ein rechtgroßes Haus. Das war schön und praktisch, solange meine Frau noch lebte, aber sie ist vor anderthalb Jahren gestorben, und für mich alleine ist es einfach zu groß und zu leer.«
    »Das tut mir leid – ich meine, das mit Ihrer Frau.«
    »Ja, sie fehlt mir. Wir waren

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