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Die Herrin des Labyrints

Die Herrin des Labyrints

Titel: Die Herrin des Labyrints Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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Name, und als wieder eine Lieferung fällig war, ließ er sich als siebter Jüngling mit auf das Schiff bringen, das nach Kreta fuhr. Dort traf er, bevor er mit den anderen in das Labyrinth geschickt wurde, Ariadne, des Königs Minos Töchterlein.«
    »Soll ich raten? Sie verlieben sich!«
    »Ist so üblich, ja.«
    »Wie langweilig, jetzt kommt Herz und Schmerz und so?«
    »Nein, ich muss dich enttäuschen. Ariadne war unter anderem auch mit dem Erbauer des Labyrinths befreundet, mit dem Baumeister Daidalos. Dieser war der Einzige, der den Weg aus dem Irrgarten kannte, und er hatte einen Zauberfaden gesponnen, den er Ariadne gegeben hatte. Diesen roten Faden schenkte Ariadne Theseus. Er sollte ihn am Eingang festmachen und abspulen, bis er zur Mitte kam, wo der Minotauros auf seine Opfer wartete.«
    »Was für ein Blödsinn, Baba!«
    »So sind Sagen nun mal. Theseus befolgte diesen Rat und besiegte das Ungeheuer. Mit Hilfe des Fadens fand er wieder aus dem verwinkelten Palast heraus. Anschließend entführte er Ariadne, um sie mit nach Athen zu nehmen.« Dass er sie dabei schmählich auf der Insel Naxos hatte sitzen lassen, fand ich nicht der Erwähnung wert. Kinder brauchen ihre Helden.
    »War es ein Labyrinth oder ein verwinkelter Palast, Baba?«
    »Das ist doch wohl ziemlich das Gleiche, oder?«
    »Aber bestimmt nicht. Wenn das so ein Ding war wie auf der Münze, dann war’s ein Labyrinth. Und dann ist die Geschichte scheiße!«
    »Beschwer dich nicht bei mir, beschwer’ dich bei Homer und Konsorten.«
    »So ein dämliches Zeug wird einem überliefert, und dann wollen die Leute auch noch, dass man ihnen glaubt. Das ist genau so eine Kacke wie diese Schwachsinnsgeschichten in der Bibel. Die sind auch total unlogisch!«
    »Was die Bibel anbelangt, gebe ich dir recht, aber was macht dich an der Theseus-Sage denn so fuchsig?«
    »Baba, in einem Labyrinth kann man sich gar nicht verirren. Gib mir mal die Münze, ich zeig es dir.«
    Ich schüttelte den Kopf über seine Aufregung, aber dann musste ich doch zugeben, dass mein kluger Sohn die echte Schwachstelle in der Storyline gefunden hatte. In einem Labyrinth kann man sich wirklich nicht verirren. Der Weg führt in mehr oder weniger großen, kreisförmigen Windungen immer von außen zum Zentrum und vom Zentrum automatisch wieder nach außen.
    »Es gibt keine Abzweigungen, Baba, nur Kehrtwendungen. Das sieht alles tierisch kompliziert aus, vor allem bei den Labyrinthen, die mehr Umläufe haben. Aber sie enden immer in der Mitte. Also, wozu hat diese dämliche Ariadne ihrem noch dämlicheren Helden das Fadenknäuel gegeben?«
    »Wenn ich das wüsste.«
    »Wusste es Gita vielleicht?«
    »Keine Ahnung, Patrick.«
    »Gibt es noch ein neueres Release der Sage? So den Theseus 3.1 oder so?«
    »Ich habe nur diese eine gefunden, aber man könnte ja mal weitere Quellen studieren.«
    »Na, ich schau auch mal, was ich finde. Die Story, die du mir da vorgesetzt hast, ist mir zu dürftig.«
    Patrick hatte so seine eigenen Quellen, ich vermutete, dass ihm diese Suchaufgabe wieder ein paar wundervolle Stunden vor dem Bildschirm bescheren würde. Ich für mein Teil zog die menschlicheKompetenz vor, und wer kannte sich in den Mythen besser aus als Nicole und Halima?
    Nicole erreichte ich als Erste. Sie wirkte etwas gedrückt, kam mit weniger als drei Minuten Begrüßungsschwall aus und hatte auch nur zweisilbige Superlative zu bieten. Mir fiel wieder ein, dass ja dieser neue Film von Nandi ein ziemlicher Flop war, und entschied, dass es besser war, nicht darauf anzuspielen. Da Henry der Meinung war, ich solle über meinem Unfall nichts erzählen, Tanzen ein Tabuthema zwischen uns war, ich Beziehungskisten mit ihr grundsätzlich nicht diskutierte und über die Erbschaftsproblematik lieber schweigen wollte, begrenzte sich der Umfang der Gesprächsthemen etwas. Aber da gab es ja noch den Mond und seine Phasen, ein Gebiet, auf dem Nicole jetzt zu glänzen begann. Ich zeigte mich wissbegierig, und sie kam von Luna auf Selene, von Hekate auf Athene, und als wir bei ihr angelangt waren, flocht ich Ariadne ein und verleumdete auf das Brutalste meinen Sohn.
    »Patrick hat sich gerade mit dieser Minotauros-Sage beschäftigen müssen. Ich bin da nicht so gut drin bewandert, Nicole. Kannst du mir dazu etwas erzählen?«
    »Minotauros? War das nicht ein Stier? Ah, ich weiß, die Geschichte kenne ich. Das war aber nicht Ariadne, Amanda. Was erzählen die ihm da bloß in der Schule? Das war Europa,

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