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Die Herrin des Labyrints

Die Herrin des Labyrints

Titel: Die Herrin des Labyrints Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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verkneifen zu bemerken. Sie nahm es, wie es gemeint war.
    »Ja, ziemlich ähnlich, aber lange nicht so unterhaltsam. Das liegt daran, dass diese Leute sich meist erschreckend ernst nehmen.«
    »Soweit ich Gitas Charakter einschätzen kann, war das etwas, was ihr ziemlich fern lag. Gita nahm sich nicht ernst, sie hatte wirklich eine wunderbare Art innerer Leichtigkeit. Ich glaube, das war etwas an ihr, was ich so sehr gemocht habe.«
    »Dann sollten wir in dieser Richtung nicht weiterdenken. Möglicherweise hat ihr lediglich der Text des negativen Bekenntnisses zugesagt. Ich würde ihn für mich auch gerne in Anspruch nehmen können, wenn ich diese Welt verlasse. Konzentrieren wir uns mal auf die Münze. Ich habe sie nur kurz gesehen. Was hast du dazu herausgefunden?«
    »Vor allem Patrick hat etwas herausgefunden. Nämlich dass die Sage, die mit dem Labyrinth von Knossos im Zusammenhang steht, einen ziemlichen Fehler aufweist. Der Ariadnefaden war nämlich gar nicht notwendig.«
    »Stimmt, der Weg in einem Labyrinth führt immer ins Zentrum. Also führt er auch immer wieder hinaus. Andererseits habenwir es hier mit Symbolik zu tun. Die Dame Ariadne mag andere Gründe gehabt haben, ihrem Helden einen Faden in die Hand zu drücken.«
    »Nicole hat auch so etwas Ähnliches vermutet.«
    »Du hast mit Nicole über die Münze gesprochen?« Halima klang alarmiert.
    »Nein, nein, ich bin ja schon vorsichtig geworden. Ich habe meinen armen Sohn vorgeschoben, der angeblich diese Sage in der Schule gehört hat. Sie hat zwar Zeus und Minotauros, Europa und Ariadne durcheinandergebracht, aber sie hat zumindest auch vermutet, die ursprüngliche Bedeutung der Sagen müsse eine ganz andere, für sie sehr viel feministischere sein.«
    »Das hört sich zwar nach Dogma an, hat aber einen sinnvollen Kern. Mir geht da etwas im Kopf herum, das ich im Augenblick nicht zusammenbekomme. Es hat etwas mit einem Tanz zu tun …«
    Halima schwieg und sah verträumt einem Schmetterling nach, der über einem moosigen Baumstumpf schaukelte. Aber dann schüttelte sie den Kopf und meinte: »Hat im Moment keinen Sinn, ich muss dazu mehr Ruhe haben. Aber ich denke, die Spur ist wirklich heiß.«
    »Gut, dann lassen wir es jetzt einfach mal ruhen. Sag mal, wie kommt es, dass du dich so gut mit den alten Mythen auskennst?«
    »Man stößt automatisch darauf, wenn man sich mit den Welten hinter den Welten beschäftigt.«
    »Magie, meinst du?«
    »Wenn du so willst, ja.«
    »Wahrscheinlich bin ich jetzt sehr aufdringlich, und du musst mir die Frage auch nicht beantworten, wenn du nicht willst, aber …«
    »Ich beantworte sie dir aber.«
    »Woher weißt du, was ich fragen wollte?«
    »Kann jemand wie ich Gedanken lesen oder nicht?« Ich seufzte.
    »Um ehrlich zu sein, Amanda, ich kann es nicht. Aber ich beobachte gut, das weißt du doch. Es liegt doch völlig auf der Hand,dass du wissen möchtest, wie ich zu der Beschäftigung mit den verborgenen Kräften gekommen bin. Dazu muss ich ein bisschen ausholen. Gehen wir wieder zurück, ja?«
    »Geistig oder körperlich?«
    »Beides.«
    Auf dem Heimweg berichtete Halima also, wie sie ihr Leben umgestaltet hatte, nachdem sie von ihrer Familie weggegangen war und mich im Krankenhaus abgeliefert hatte. Mit Josianes Geld und dem, was sie für einige der kostbareren Schmuckstücke bekommen hatte, bezahlte sie eine winzige Wohnung und die Lehrer, die sie ausbildeten. Gleichzeitig hatte sie angefangen, in kleineren Restaurants und Nachtclubs zu tanzen. Aber sie war noch sehr jung und unerfahren, oft genug wurde sie ausgenutzt, um die Bezahlung geprellt, war das Opfer aufdringlicher Belästigungen, und neidische Konkurrentinnen machten ihr das Leben schwer.
    »Es war nicht leicht, ich wurde immer dünner. Meine Lehrer sagten, ich müsse zunehmen, um eine vernünftige Figur vorweisen zu können. Anderthalb Jahre lernte ich, arbeitete ich und sparte mir oft genug das Essen vom Mund ab. Aber das Tanzen wog alles auf, Amanda. Wenn die Trommeln einsetzen, wenn die Laute schwirrt und die Flöte schluchzt, dann kann ich nicht anders als tanzen. Deshalb kann ich ja mit dir mitfühlen. Du wolltest auch tanzen, aber es gehörte nicht zu deinem Leben dazu. Für mich war wenigstens das leichter. Bei uns ist für Mädchen und Frauen von Kindheit an das Tanzen selbstverständlich. Na, jedenfalls wurde ich eine gute Tänzerin, aber ich verkaufte mich nicht gut. Ich machte einen bösen Fehler, und in einer Nacht wurde ich vergewaltigt.

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