Die Herrin Thu
Schale Henna kam und mir die Fußsohlen für mein erstes Fest mit Huis Freunden bemalte.
Seit jenem Tag gehörte ich nicht mehr zum niederen Volk, sondern war in Disenks hochfahrenden, schönen Augen des Titels würdig, mit dem mich Ramses später belieh. Als ich mir jetzt meine Füße ansah, während ich das Seeufer verließ und nach einem Weg suchte, der mich in das Menschengewimmel der Märkte führen würde, da erkannte ich in den Schwielen und dem eingewachsenen Dreck die Füße meiner unerschütterlichen Mutter. Ein Monat Verbannung mit Blasen und blutigen Füßen, und Disenks jahrelange harte Arbeit war umsonst. Aswats karger Boden hatte die Herrin Thu, die verhätschelte Lieblingsfrau des Königs, wieder zum Verschwinden gebracht.
Nach und nach hatte ich mich mit dem Verfall meines Körpers abfinden müssen. Und es war die kleinste meiner Sorgen gewesen, denn es hatte mich aus einem Leben des Müßiggangs in eines mit harter Arbeit in Wepwawets Tempel verschlagen, wo ich Tag für Tag den geheiligten Bezirk und die Zellen der Priester säubern, ihnen Essen zubereiten, ihre Gewänder waschen und Botengänge für sie machen mußte. Danach kehrte ich in die kleine Hütte zurück, die mein Vater und mein Bruder für mich gebaut hatten, und kümmerte mich dort um meinen jämmerlichen Garten und leistete Fronarbeit für mich selbst. Trotzdem trauerte ich am meisten um meine Füße, nicht nur weil ich eitel war, sondern auch weil sie für alles standen, was ich errungen und wieder verloren hatte. Ich würde alt werden und in Aswat sterben, würde so eingetrocknet und geschlechtslos werden wie die anderen Frauen, die früh erblühten und vor der Zeit alterten, weil ihnen das harte Leben den Lebenssaft aussog. Und es bestand auch keine Aussicht, dieses Leben durch leidenschaftliche Liebe wettzumachen, denn ich war zwar verbannt, gehörte aber noch immer dem König und durfte mich bei Todesstrafe keinem anderen Mann hingeben.
Durch zweierlei blieb ich bei Verstand. Das war erstens und eigenartigerweise die Feindseligkeit meiner Nachbarn. Ich hatte Schande über Aswat gebracht, also mieden mich die Dorfbewohner. Zu Anfang hatten mir die Erwachsenen betont den Rücken gekehrt, wenn ich vorbeikam, und die Kinder hatten mich mit Lehmklumpen oder Steinen beworfen und mich beschimpft, doch im Laufe der Zeit wurde ich einfach übersehen. Mir bot sich also keine Gelegenheit, mich wieder ins Dorfleben einzugliedern und erneut die Verzweiflung zu spüren, das Gefühl, gefangen zu sein, das mich in meinen Jugendjahren so gequält hatte. Trotz meiner Verbannung konnte ich für mich bleiben und mir leichter einreden, daß der erbarmungslose Zyklus ihrer Tage für mich nicht galt.
Zweitens war es die Geschichte meines Aufstiegs und Falls. Ich schrieb gegen die Sehnsucht nach meinem kleinen Sohn an, die mich in den Stunden der Dunkelheit überfiel, aber auch, um die kleine, aber stete Flamme der Hoffnung am Leben zu erhalten, die nicht erlöschen durfte. Ich wollte, konnte nicht glauben, daß ich für immer in Aswat begraben sein sollte, auch wenn diese Überzeugung wider alle Vernunft war, und so schrieb ich Nacht für Nacht verbissen und oft in einem Nebel der Erschöpfung mit geschwollenen, verkrampften Fingern. Die Papyrusblätter versteckte ich in einem Loch in meinem Lehmfußboden.
Jener Boden barg jetzt ein anderes Geheimnis, eines, das meinen Sohn retten und mir eine letzte Hoffnung auf Freiheit geben konnte, falls ich in den Augen der Götter meine Sünde abgebüßt hatte und sie Milde walten ließen. Jetzt überfiel mich der Abscheu vor meinen schwieligen Händen, meinem spröden, ungepflegten Haar, meiner von der Sonne verbrannten und von der erzwungenen Vernachlässigung grob gewordenen Haut wieder mit aller Macht. Ich befand mich am Rand einer Menschenmenge, die sich zwischen Marktbuden drängelte. Niemand beachtete mich. Mit meinen nackten Füßen und Armen, meinem derben Kittel und dem unbedeckten Kopf war ich lediglich eine von vielen gewöhnlichen Frauen, die ihren bescheidenen Geschäften nachging, und ausgerechnet diese Namenlosigkeit, die zwar ein gewisser Schutz war, bewirkte einen bitteren Geschmack auf der Zunge.
Zunächst einmal mußte ich die Straße der Korbverkäufer finden, damit ich mich regelmäßig jeden dritten Tag abends in dem Bierhaus einstellen konnte, wie Kamen vorgeschlagen hatte. Als ich neben einem Sonnendach herumlungerte, unter dem ein Standbesitzer vor sich hin döste, kreisten meine
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