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Die Herrin Thu

Die Herrin Thu

Titel: Die Herrin Thu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pauline Gedge
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warten. Heute Abend muß ich erst einmal die Straße der Korbverkäufer finden.“ Er war sichtlich gekränkt.
    „Warum willst du dahin?“ fragte er. „Es gibt dort reichlich Korbverkäufer, aber auch Bier- und Hurenhäuser, und abends, wenn die Korbverkäufer nach Hause gehen, wimmelt die Straße von jungen Soldaten.“ Er musterte mich von Kopf bis Fuß. „Das ist kein Ort für eine ehrbare Frau.“ Wenn du wüßtest, dachte ich, denn seine Worte hatten mir einen Stich gegeben, denn seit der Nacht, in der ich Hui meine Jungfräulichkeit im Austausch für einen Blick in meine Zukunft angeboten habe, bin ich keine ehrbare Frau mehr. Und da war ich dreizehn. Ich schluckte den Schmerz hinunter.
    „Aber ich habe jemanden kennen gelernt, der hat mir erzählt, daß man dort vielleicht Arbeit für mich hat“, gab ich zurück, „ich weiß dein Angebot zwar zu schätzen, doch eine Anstellung in einem Bierhaus bedeutet auch einen Schlafplatz.“
    „Wie du willst“, sagte er, etwas milder gestimmt. „Aber sieh dich vor. Mit deinen blauen Augen kannst du dir Ärger einhandeln. Komm morgen wieder, wenn du kein Glück gehabt hast.“ Ich bedankte mich noch einmal für seine Großzügigkeit und verabschiedete mich. Dabei ließ ich auch das Messer mitgehen, und als sich meine Finger um den Griff schlossen, dachte ich kurz an Kamen. Dann steckte ich es in den Gürtel und schob eine Kittelfalte darüber. Er hatte getötet, um mich zu schützen, doch nun mußte ich mich wohl selbst schützen. Die Sonne neigte sich gen Westen und machte aus den Sonnenstäubchen Lichtfunken. Ich winkte schnell, ohne mich jedoch umzusehen, und tauchte in der Menschenmenge unter.
    Die Straße der Korbverkäufer war in der Tat weit entfernt, und als ich sie endlich gefunden hatte, war ich schon wieder durstig und auch müde. Sie war schmal und gewunden, zu beiden Seiten drängten sich die Häuser und lehnten sich vornüber, daher schlängelte sie sich im Dämmerlicht dahin, obwohl die Sonne den Platz vor Ptahs Tempel noch rot beschien. Die Korbverkäufer luden ihre unverkauften Waren bereits auf Esel, und die Straße hallte wider von bockigem ,Iah-Iah’ und den Flüchen der Männer. Schon schoben sich Grüppchen von Soldaten durch den Trubel, junge Männer zumeist, die lärmend und begierig Türen zustrebten, aus denen weiches, geheimnisvolles Lampenlicht fiel.
    Während ich langsam dahinschlenderte, hörte ich auf einmal Musik, eine fröhliche, muntere Weise, bei der mir das Blut schneller durch die Adern rann und meine Müdigkeit etwas nachließ. Trotz meiner Lage war ich noch am Leben, war frei. Im Augenblick konnte mir niemand befehlen, dies oder das zu tun, hierhin oder dorthin zu gehen. Niemand konnte mir gebieten, einen Fußboden zu wischen oder Wasser zu holen. Wenn ich herumtrödeln und die Menschenmenge beobachten wollte, so stand mir das frei, ich konnte mich an eine warme Mauer lehnen und die Gerüche tief einatmen, ein Gemisch aus Eselsdung, verschüttetem Bier und Männerschweiß und den leichten, lieblichen Duft der Binsen, aus denen die Hunderte von Körben geflochten waren, die hier jeden Tag gestapelt wurden. Das war nach so vielen Jahren, in denen ich nicht hatte leben können, wie ich wollte, sonderbar und berauschend. Ich genoß diese Freiheit vorsichtig und verscheuchte den Gedanken, daß sie natürlich nicht vorhalten konnte.
    Auf einmal vertrat mir ein Soldat den Weg, blieb direkt vor mir stehen und musterte mich mit dreistem Blick von Kopf bis Fuß. Ehe ich zurückweichen konnte, betatschte er schon mein Haar und fummelte an meinem Kittel herum, wollte offensichtlich herausfinden, wie groß und fest mein Körper war. Er bedachte mich mit einem unpersönlichen, flüchtigen Lächeln. „Bier und eine
    Schale Suppe“, bot er an. „Was hältst du davon?“ Ich empfand Scham und einen furchtbaren Abscheu, die aber nicht ihm, sondern mir galten. Denn zum zweiten Mal an diesem Tag war mein Preis auf nicht mehr als das Lebensnotwendigste festgesetzt worden. Wenn ich inzwischen so wenig wert bin, wisperte es in meinem Kopf, warum nicht annehmen? Was macht das schon? Du mußt essen, und dieser junge Mann hat haarscharf eingeschätzt, was du ihm dafür zu bieten hast. Ich reckte mich und wäre doch am liebsten in das nächste Mauseloch gekrochen.
    „Nein“, antwortete ich. „Ich verkaufe mich nicht. Tut mir leid.“ Er zuckte die Achseln, beharrte aber nicht. Seine Wollust war nur ein Anflug gewesen und noch nicht von ein paar

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