Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Herrin Thu

Die Herrin Thu

Titel: Die Herrin Thu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pauline Gedge
Vom Netzwerk:
abgeschrubbt und mit lieblichem, warmem Wasser übergossen hatten, und dann war ich mit rosiger Haut und zerzaustem Haar auf den Hof gegangen, wo der junge Masseur wartete. Disenk hatte mir sorgfältig die Körperbehaarung ausgezupft, und der Masseur hatte mit rücksichtslos fachkundigen Händen duftendes Öl in jede Pore massiert und geklopft. Es war ein gutes Leben gewesen und voller Verheißungen für ein schönes und ehrgeiziges junges Mädchen.
    Ich ging im Raum umher, und meine Fußsohlen genossen die Kühle des Steinfußbodens. Dann hob ich die Deckel von den vielen Töpfen und Tiegeln auf ihren steinernen Simsen. Ich legte meinen Kittel ab, schöpfte mir einen Krug Wasser aus einer der großen Urnen, nahm mir eine Handvoll Natron, stellte mich auf den Badesockel, schrubbte mich, übergoß mich und bearbeitete auch mein Haar mit dem Natron. Als ich fertig war, steckte ich den Kopf direkt in die Urne, dann griff ich nach dem Öl. Meine Haut sog es gierig auf, desgleichen mein Haar. Ich setzte mich auf den Sockel und flocht mir Zöpfe.
    Gleich am Fuß der Treppe stand eine Truhe, die öffnete ich und holte den Inhalt heraus. Ein paar Männertuniken und zerknautschte Schurze, doch auch ein langer, leichter, sommerlicher Umhang und ein schmales Hemdkleid, so glatt, daß nur meine Augen mir sagten, was meine Finger streichelten. Harshira dachte stets an das Wohlbefinden der Gäste seines Gebieters, und da kam es schon einmal vor, daß ein Gast nach einem anstrengenden Fest baden wollte. Ich warf meine grobe Dienstbotenkleidung in die Ecke und zog mir ehrfürchtig das Hemdkleid an. Es glitt über meinen frisch geölten Körper und schmiegte sich an meine Rundungen, als wäre es eigens für mich gemacht worden. Der glatte Stoff legte sich an meinen Körper, und ich hätte gern einen Spiegel gehabt, denn zum ersten Mal seit Jahren regte sich wieder die Thu, die ich einst gewesen war. Ich stöberte in der Truhe nach Sandalen, fand aber keine. Auch gut. Sandalen machten zu viel Lärm, und außerdem waren meine Füße kein Schuhwerk mehr gewöhnt, und wenn ich rennen mußte, waren sie nur hinderlich.
    Ich war fertig, holte mir das Messer aus dem Versteck, in das ich es gelegt hatte, ging wieder die Treppe hoch, den Gang entlang und dreist hinunter in die Eingangshalle. Das Gelächter klang schallender, die Unterhaltung lauter, die Musik durchdringender. Huis Wein rann rascher in die Kehlen seiner Freunde. Am Fuß der Treppe wandte ich mich scharf nach rechts und schlug den Gang ein, der geradewegs in den Garten führte. Ich kam an der Tür zum Arbeitszimmer vorbei, dann an einer kleineren Tür, die wahrscheinlich noch immer in die Zelle von Huis Leibdiener führte, und zu der beeindruckenden Flügeltür von Huis eigenem Schlafgemach. Ohne anzuhalten, aber auch ohne Hast stieß ich sie auf und trat ein.
    Ich war erst einmal in seinem Allerheiligsten gewesen, an einem Tag, an den ich mich nur ungern zurückerinnere, doch mein Blick wanderte unwillkürlich nach rechts zu der Verbindungstür, die in das Zimmer seines Leibdieners führte. Dort war Kenna gestorben, Kenna, der Übellaunige mit der scharfen Zunge, der mir Huis Aufmerksamkeit neidete, mich haßte und den angebeteten Gebieter für sich allein haben wollte. In meiner panischen Angst, daß er einen Keil zwischen mich und Hui treiben könnte und ich fortgeschickt würde, hatte ich ihn ermordet. Eigentlich wollte ich ihn gar nicht umbringen, er sollte nur sehr krank werden, doch damals hatte ich mich noch nicht ausgekannt, und die Alraune hatte zu stark gewirkt. Ich hätte ohnedies nicht zu diesem verzweifelten Mittel greifen müssen, doch woher sollte ich wissen, daß ich für Hui weitaus wertvoller war als sein Leibdiener? Kennas Tod lag mir schwerer auf der Seele als der Mordversuch am Pharao. Er war grausam und sinnlos gewesen.
    Die Verbindungstür war geschlossen, aber ich wußte sehr wohl, daß der augenblickliche Leibdiener dahinter darauf wartete, daß Hui seine Gäste verabschiedete und zu Bett ging. Ich mußte also sehr leise sein. Ich blickte zur Zimmermitte. Da stand noch immer die mächtige Lagerstatt auf ihrem Sockel. Die Laken waren aufgedeckt. Eine Lampe brannte stetig, erfüllte den Raum mit einladendem Licht. Auf den Wänden waren noch immer die lebhaften Bilder, an die ich mich erinnerte, üppige Schilderungen der Lebensfreude: Ranken, Blumen, Fische, Vögel, Papyrusdickichte, alles in leuchtendem Dunkelrot, Blau, Gelb, Weiß und Schwarz. Ein paar

Weitere Kostenlose Bücher