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Die Herrin Thu

Die Herrin Thu

Titel: Die Herrin Thu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pauline Gedge
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Schritte von der Zelle entfernt lag, die ich mit Hunro geteilt hatte, dankte ich den Göttern, daß ich nicht wirklich eine von ihnen war. Viel hatte ich mich nicht verändert. Ich kannte mich nur ein wenig besser als vor vielen Jahren.
    Doch dann durchzuckte es mich kalt. War ich nicht doch eine von ihnen? Ich gehörte noch immer dem König. Ich war noch immer eine treue Nebenfrau, hatte seit meiner verbotenen Hingabe an Hui in jener wahnwitzigen Stunde in seinem Garten bei keinem anderen Mann gelegen. Ramses hatte das Recht, mich, solange er lebte, wieder in seinem Harem einzusperren, und sein Sohn konnte mich nach Belieben an jenen furchtbaren Ort in Fayum verbannen, wo die alten und verbrauchten Nebenfrauen ihre letzten Tage verlebten. Da packte mich die Verzweiflung, ich sprang auf, und die eitle Selbstzufriedenheit, in der ich mich gesonnt hatte, war jäh dahin. Der König mußte nach mir schicken, und wenn ich mich für das entschuldigt hatte, was ich ihm damals hatte antun wollen, wenn ich geweint und an seinem Lager gekniet hatte, dann mußte ich ihn bitten, daß er mich aus seinen Diensten entließ. Mein Schicksal hatte so seltsame Wendungen genommen, daß ich meine Tage nicht als unerwünschte Sklavin in lähmender Langeweile und Verzweiflung beschließen durfte!
    Isis kehrte zurück und unterbrach mich in meinen düsteren Gedanken. Über dem Arm trug sie einen zarten Umhang aus halb durchsichtigem Leinen, den sie ausschüttelte und mir umlegte. „Man erwartet dich im Badehaus“, sagte sie, und ich verdrängte die Angst, denn ich wollte die Chance nutzen, mir etwas von meiner verlorenen Jugend zurückzuholen.
    Man badete mich in duftendem Wasser und kämmte mir Lotosöl in die verfilzten Haare. Man zupfte mir die Körperbehaarung aus und massierte mir Öl in die ausgetrocknete Haut. Man schmirgelte und verband meine wunden Füße, klopfte mir Honig und Castoröl in Hände und Gesicht und schmirgelte und wusch und ölte mich erneut. Und ich überließ mich dem Ganzen mit unendlichem Genuß. Das waren die Freuden, bei deren Andenken mir meine tagtägliche Plackerei in Wepwawets Tempel und meine nächtliche, abgrundtiefe Verzweiflung leichter geworden war, als ich mich an den Glauben klammerte, daß meine Verbannung nach Aswat nicht ewig dauern würde. Das hier bedeutete meine Wiedergeburt in ein Leben, das mehr war als nur Arbeit und Schlaf der
    Erschöpfung, und was auch immer geschah, ich glaubte nicht daran, daß mein Schicksal noch einmal Aswat sein würde.
    Mit bandagierten Füßen in Sandalen, prickelndem Körper und glänzendem Haar kehrte ich in meine Zelle zurück, und da erwartete mich schon die Kosmetikerin mit geöffnetem Kasten, ausgebreiteten Pinseln und Fläschchen. Höflich harrte sie darauf, daß ich mich an den Tisch setzte und frühstückte. Isis bediente mich mit kundiger Geschicklichkeit, und ich erinnerte mich wieder an die Manieren, die mir Disenk in den ersten Monaten in Huis Haus eingebläut hatte. Jede Krume war ein Genuß, jeder Tropfen Milch eine Verheißung.
    Als ich gegessen hatte, entfernte Isis das Tablett, und die Kosmetikerin legte mir die Finger unters Kinn und hob mein Gesicht zur fachkundigen Beurteilung. „Keine Schmeicheleien“, sagte ich schroff. „Erzähl mir nicht, was für eindrucksvolle blaue Augen ich habe oder wie gut mein Mund geformt ist. Ich weiß nicht, ob die Verheerungen, die Sonne und Zeit angerichtet haben, noch getilgt werden können, aber versuche es bitte.“ Einer ihrer Mundwinkel hob sich zu dem Anflug eines spöttischen Lächelns. Sie war eine ältere Frau, die bereits ergraute, und ich war nicht überrascht, als sie sagte: „Ich erinnere mich an dich, obwohl du dich gewißlich nicht an mich erinnerst. Als du hier gelebt hast, war ich der Herrin Werel zugeteilt. Du hast Glück gehabt, daß du Disenk zum Schminken hattest. Sie ist eine Künstlerin.“ Und obendrein eine hochnäsige kleine Ratte, die mich wie der Rest verlassen hat, als ich am Ersaufen war, dachte ich. „Deine Haut ist betrüblich braun“, fuhr die Frau fort, „und ich weiß nicht, ob ich es schaffe, ihr einen gewissen Schmelz zurückzugeben. Vielleicht, aber das dauert seine Zeit. Wirst du wieder hier wohnen?“ Ich seufzte.
    „Bei den Göttern, hoffentlich nicht“, antwortete ich ihr ehrlich. „Und ich weiß auch nicht, ob wir genug Zeit haben, damit deine Bemühungen Wirkung zeigen können. Aber tu dein Bestes.“ Sie nickte und griff zu ihren Schönheitsmitteln,

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