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Die Herrin Thu

Die Herrin Thu

Titel: Die Herrin Thu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pauline Gedge
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Versteckspiel, keinerlei Notwendigkeit, die Anfälle von fast völliger Verzweiflung zu unterdrücken, die während so vieler Nächte meine Gefährten gewesen waren. Alles in mir entspannte, löste sich, Leben rann durch meine Adern. Ich lehnte mich zurück und blickte zu dem dünnen Sonnensegel hoch, und dabei wurden mir die Lider schwer und fielen zu. Ich schlief und hörte nicht, wie sich Isis neben mich kniete und mir ein Tablett beladen mit den Köstlichkeiten des Mittagsmahls brachte. Sie war noch immer da, als ich eine Stunde später aufwachte, und hütete das Essen, das in den Küchen offiziell vorgekostet war und nicht angerührt werden durfte.
    Drei Wochen lang lebte ich ein faules, verwöhntes Leben, stand auf, wann immer ich aufwachte, verbrachte lange Stunden im Badehaus und unter den
    Händen des Masseurs und der Kosmetikerin und schmückte mich jeden Tag prächtig mit all den Dingen, nach denen mir der Sinn stand. Meine Haut begann wieder zu schimmern, meine Hände und Füße wurden weich, mein Haar war nicht mehr spröde, ungepflegt und drahtig. Der Kupferspiegel, den ich mir vors Gesicht hielt, zeigte mir meine allmählich aufblühende Gesundheit, und ich schrak nicht mehr vor meinem Spiegelbild zurück.
    Der Monat Khoiak wurde zu Tybi. Am ersten Tag des Tybi wurde das Krönungsjubiläum des Horus, unseres kränkelnden Pharaos, gefeiert. Der Harem leerte sich, die prächtig geschmückten Frauen bestiegen ihre Sänften und wurden durch die Stadt von einer Feier zur anderen getragen. Doch für mich kam keine Einladung, und darüber war ich froh. Es wurde gemunkelt, daß der König für seinen Krönungstag alle Kräfte zusammengenommen hätte und die Huldigung seiner engsten Ratgeber und die Jubiläumsgeschenke der fremdländischen Abordnungen entgegennahm. Ich konnte ihn mir auf dem Horusthron sitzend vorstellen, die Doppelkrone auf dem Kopf, Krummstab, Geißel und Krummschwert in den großen Händen, den Pharaonenbart um das eindeutig kantige Kinn gebunden. Goldstoff würde seinen großen Bauch verbergen. Doch seine mit Khol geschminkten Augen würden fiebrig geschwollen und müde sein, wie geschickt auch immer seine Kosmetikerin war, und ich glaubte nicht, daß Königin Ast, die gewißlich wie eine steife, zierliche Puppe hinter ihm saß, viel Mitgefühl für ihn aufbrachte. Ihre eigenen, mit Khol umrandeten Augen würden auf ihrem Sohn, dem Prinzen, ruhen, der männlich und schön eine Lebenskraft ausstrahlte, welche die Gäste natürlich mit der zunehmenden Hinfälligkeit seines Vaters vergleichen mußten.
    Vielleicht tat ich der Königin unrecht, aber vermutlich nicht. In meiner Erinnerung war sie kühl und zurückhaltend und voller Einbildung auf ihr edles Blut. Armer Ramses, dachte ich, während ich quer über den verlassenen Hof zum stillen Badehaus schlenderte. Einst habe ich dich geliebt, ein Gefühl, das eine ungute Mischung aus Mitleid, etwas Ehrfurcht und viel habgieriger Gereiztheit war, aber ich glaube nicht, daß dich außer Amunnacht überhaupt jemand aus tiefstem Herzen geliebt hat. Wie einsam ist es doch, ein Gott zu sein.
    Einmal während dieser drei Wochen schickte ich nach dem Hüter der Tür, wollte Nachricht über Hui haben, denn eines Nachts träumte mir, er wäre ertrunken und ich stünde am Ufer des Nils und blickte auf sein friedliches, totes Gesicht herunter, über das die Wellen plätscherten. Doch Amunnacht antwortete durch einen seiner Haushofmeister, daß man zwar weiter und mit beispielloser Gründlichkeit nach dem Seher suche, ihn jedoch noch nicht gefunden habe.
    Dennoch verfolgte mich der Traum noch einige Zeit. Ich wußte, wenn ich mich selbst tot in den gemächlichen Wellen des Nils hätte treiben sehen, so wäre das ein gutes Vorzeichen gewesen, denn es hätte für mich ein langes Leben bedeutet. Oder wenn ich Hui in den Fluß hätte eintauchen sehen, hätte das die Vergebung all seiner Sünden bedeutet. Doch ihn im Traum so tot und reglos zu erblicken, das war schwer zu deuten. Besagte es meinen endgültigen Sieg über ihn, oder wurde mir etwas Schrecklicheres, Furchtbareres zu erkennen gegeben, das ich wortwörtlich nehmen sollte? Mir kam der Gedanke, er könnte sich möglicherweise das Leben genommen haben, doch ich beruhigte mich rasch. Zum Selbstmord war Hui nicht fähig. Er würde zurückweichen oder ablenken, täuschen oder sich gütlich einigen, und er würde immer wissen wollen, was danach kam, und das bis zu dem Augenblick, an dem es für ihn kein

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