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Die Herrin Thu

Die Herrin Thu

Titel: Die Herrin Thu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pauline Gedge
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er mich. „Hunro stand auch auf deiner Liste. Sie darf ihre Zelle nicht mehr verlassen, ihre Tür wird rund um die Uhr bewacht.“ Eine ratlose Freude erfaßte mich. Gern hätte ich die Kluft zwischen uns aufgehoben und den Hüter der Tür in die Arme genommen, doch das tat ich natürlich nicht.
    „Dann bin ich nicht verhaftet worden, damit man mich bestrafen kann, sondern bin zu meiner eigenen Sicherheit festgenommen worden!“ platzte ich heraus. „Und sie werden die Leiche finden, weil Kamen und ich sie dort eigenhändig vergraben haben! Jetzt habe ich Hunger, Amunnacht!“
    „Gut.“ Er erhob sich mit einer einzigen geschmeidigen Bewegung. „Dann iß und schlafe. Morgen, wenn du aufgewacht bist, findest du draußen vor deiner Tür eine Leibdienerin, die auf deine Befehle wartet, und falls es dir an etwas mangelt, mußt du mir nur Nachricht geben.“ Ich lachte vor lauter Freude.
    „Aber nicht Disenk, nein?“
    „Nein“, erwiderte er ernst. „Deine frühere Dienerin steht jetzt in Diensten der Herrin Kawit, der Schwester des Sehers. Und hinsichtlich des Sehers ist da noch etwas.“ Eine Hand drückte mir das Herz zusammen, jedoch sehr sanft.
    „Ja?“
    „Die Soldaten des Prinzen sind zu Hui gegangen, aber er war nicht daheim. Sein Haushofmeister weiß nicht, wo er sich aufhält.“ Also hat Hui meine Warnung nicht nur ernst genommen, dachte ich verbittert, sondern hat gehandelt, kaum daß ich fort war. Wie dumm von mir, daß ich zu ihm gegangen bin. Ich hätte wissen müssen, wie verschlagen, wie schlau er ist. Werde ich jetzt um den Teil meiner Rache betrogen, der am süßesten geschmeckt hätte? Wohin hatte er sich gewandt?
    „Er hat Besitzungen in anderen Gegenden des Deltas“, sagte ich langsam, „und er ist kein Unbekannter in den Tempeln Ägyptens.“
    „Jedes Versteck ist durchsucht worden“, versicherte mir Amunnacht. „Der Harem ist gut bewacht, Thu. Hier kann er dir unmöglich schaden.“ Nein, aber ich will ihm schaden, dachte ich. Ich will, daß sich die königlichen Hände endlich, endlich um seine weiße Kehle legen, ich will sehen, wie sein verdammtes Selbstbewußtsein bröckelt. Ich will ihn leiden sehen.
    „Wie geht es dem König?“ fragte ich zaghaft. „Wird man mir erlauben, ihn zu besuchen?“ Amunnacht warf mir einen wachsamen Blick zu.
    „Er ist sehr krank“, sagte er. „Und verläßt kaum noch sein Lager. Ich befürchte, er liegt im Sterben. Doch der Prinz ist heute Abend zu ihm gegangen und hat ihm erzählt, was passiert ist.“
    „Dann weiß er, daß ich hier bin. Vielleicht schickt er nach mir!“
    „Vielleicht, aber ich glaube nicht. Schließlich hast du einst versucht, ihn umzubringen.“
    „Er ist glücklich mit mir gewesen“, sagte ich leise. „Trotz allen Leids, das wir einander angetan haben, erinnert er sich vielleicht noch daran.“
    „Vielleicht. Gute Nacht, Nebenfrau.“
    Er verließ mich mit wehendem blauem Leinen, und ich war allein. Mit einem tiefen, zufriedenen Seufzer wandte ich mich dem Tisch zu und hob das Bier an die Lippen. Kamen war in Sicherheit. Ich war in Sicherheit. Und der König würde sich schon an seinen kleinen Skorpion erinnern. Die Götter waren trotz allem gütig. Sie würden mir erlauben, daß ich vor ihrem Abkömmling auf die Knie fiel und um Vergebung für das bat, was ich ihm angetan hatte. Rasch leerte ich den Becher und griff nach der Suppenschale.

 
Zwölftes Kapitel
    Ehe ich mich zwischen die makellos glatten Laken auf dem schmalen, aber weichen Lager kuschelte, zog ich Huis verdrecktes Kleid aus und warf es vor die Tür. Dann blies ich die Lampe aus und legte mich schlafen. Die vertraute Stille des Harems hüllte mich ein, eine Sülle, deren selbstgefällige Abgeschiedenheit noch durch das tröstliche Gemurmel des Springbrunnens verstärkt wurde, und aufseufzend überließ ich mich ihr. Meine Gedanken wanderten kurz zu den Docks, auf denen ich die vergangene Nacht geschlafen hatte, zu meiner ängstlichen Warterei im Bierhaus, zu dem so unverhofft freundlichen Hauptmann, zu Amunnacht und seinen Worten, doch zumeist stand mir das Gesicht des Königs vor Augen, und seine Stimme lullte mich ein. Er lag jenseits der Mauer meines Gevierts, nur einen Steinwurf entfernt. War er wach und dachte an mich? Oder war ich denn doch so unwichtig für ihn gewesen, daß er sich kaum noch meines Namens entsann?
    Und was war mit Hui? Wohin hatte er sich gewandt? Vielleicht hatte er Ägypten ganz verlassen, doch irgendwie glaubte ich

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