Die Herrin Thu
Gelände herumgehen. Nicht, bis sie ein wenig weicher sind. Die Papyrussandalen hier bringe ich ins Badehaus zurück.“ Da wußte ich, was ich in Wirklichkeit tun wollte.
„Ja“, sagte ich. „Errichte mir ein Sonnensegel gleich vor der Tür hier, nicht zu nahe bei den anderen Frauen, und dann schicke mir einen Schreiber. Ich will Briefe diktieren.“ Sie eilte fort, um das zu holen, was ich begehrte, denn sie wollte mir, dem Ehrengast des Prinzen, gern gefällig sein. Schon bald lagerte ich auf einem Berg leuchtender Polster im Schatten des großen weißen Leinendachs, hinter mir die Zelle und vor mir der grüne, sonnengefleckte Rasen. War es Einbildung, oder zeigten einige der Frauen auf mich und flüsterten? Es war wohl zuviel verlangt, daß alle, die von meiner Schande wußten, tot oder nach Fayum verbannt oder in andere Quartiere verlegt worden waren. Doch keine näherte sich, und schon bald kam auch ein Schreiber und verbeugte sich mit der Palette unter dem Arm, und für ein Weilchen vergaß ich ihre neugierigen Blicke.
Ich diktierte einen Brief an Men und bedankte mich bei ihm, daß er sich so für mich und Kamen eingesetzt hatte. Er hatte Kamens Wort vertraut, wie lachhaft auch immer sich die Geschichte angehört hatte, und diese Art von Treue bewunderte ich. Durch den Schreiber sprach ich auch mit Nesiamun und seiner Tochter und dankte ihnen für ihre Freundlichkeit. Nachdem das Bier ausgetrunken war, das Isis neben mich gestellt hatte, diktierte ich einen kurzen Brief an Kamen selbst, sagte ihm, daß ich ihn so gern sehen würde und ängstlich auf Nachricht hinsichtlich unseres Schicksals wartete. Dabei achtete ich die Gefühle der Frau, die ihn großgezogen hatte, und formulierte meine Liebe zu ihm nicht allzu deutlich, denn ich wollte einem Herzen, das gewiß schon unter seinem Verlust litt, keinen weiteren Schmerz zufügen. Ich wußte genau, was sie fühlen mußte, denn beinahe siebzehn Jahre lang hatte ich ihn verloren geglaubt, hatte nicht gewußt, ob er noch lebte oder tot, gesund und geliebt oder unglücklich und verstoßen war. Und während ich litt, hatte sie ihn aufwachsen sehen, hatte ihn liebkost und genährt, hatte sich an jeder kleinen Veränderung erfreut, die seine langsamen Fortschritte anzeigte, bis er der kluge, liebevolle junge Mann war, den ich gefunden hatte. Jetzt war sie an der Reihe, ihn loszulassen, denn durfte ich ihn nicht als mein eigen beanspruchen? War jetzt nicht ich an der Reihe, mich an ihm zu freuen? Ich wollte Shesira nicht weh tun, aber Kamen gehörte mir. Wenn das hier vorbei war, würden er und ich Pi-Ramses zusammen verlassen. Wohin genau, das wußte ich nicht recht, doch nachdem ich ihn gefunden hatte, wollte ich mich nie wieder von ihm trennen. Mochte er Takhuru heiraten, wenn es ihm beliebte. Sie war schön und von edler Geburt, und ihr lebhaftes Temperament, das meinem so sehr glich, gefiel mir. Sie würde jedoch mit uns leben müssen.
Als letztes diktierte ich meinem lieben Bruder einen langen Brief, erzählte ihm von allem, was sich ereignet hatte, seitdem ich ihn bat, für mich zu lügen, und versicherte ihm, daß seine Fürsorge für mich in den Jahren meiner Verbannung endlich Frucht tragen würde. Der Schreiber schrieb unentwegt und natürlich ohne sich dazu zu äußern, hielt nur am Ende inne und fragte mich, ob ich die Papyrusblätter selbst unterschreiben wolle. Dann stöpselte er seine Tusche zu, packte seine Pinsel ein und stand auf. „Die Briefe innerhalb von Pi-Ramses werden noch heute abgeliefert“, sagte er, „doch der nach Aswat geht erst fort, wenn ein Herold in königlichen Geschäften in den Süden geschickt wird. Wahrscheinlich morgen.“
„Aber das ist unheimlich schnell!“ sagte ich lachend. „Ich hatte ganz vergessen, wie tüchtig das Haremspersonal ist. Sei bedankt.“ Er warf mir einen nicht zu deutenden Blick zu und entfernte sich.
Eine geraume Weile saß ich müßig da und schaute dem Kommen und Gehen der farbenprächtigen Frauen überall auf dem Rasen zu. Ich spürte, wie mir das hauchdünne gelbe Leinen an die Waden wehte, spürte den leichten Druck des goldenen Haarreifens auf der Stirn, sah den matten Glanz der Skarabäen, die auf meine Handgelenke zukrabbelten. Alles war gut. Es gab niemanden, der zur Zeit etwas von mir wollte. Es gab keine Plackerei im Tempel, keinen Garten, der gejätet werden, keinen Herold, den ich mit klopfendem Herzen und geheimer Scham ansprechen mußte. Es gab keine Panik mehr, kein
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