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Die Herrin Thu

Die Herrin Thu

Titel: Die Herrin Thu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pauline Gedge
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Gefühl, daß der Gott sich liebevoll um mich kümmerte. Ja, dachte ich mit der Nase auf der Bodenmatte und mit fest geschlossenen Augen, ja, ich habe mich immer auf dich verlassen können, Wegbereiter, du hast mich aus jeder mißlichen Lage befreit, in die ich geraten bin, und du bist mir zu Hilfe gekommen, weil ich dich seit meiner Jugendzeit verehrt und dir geopfert habe. Du hast mich bestraft, aber nicht zerstört, und dafür schulde ich dir alles. Sei jetzt bei mir, wenn ich noch einmal Buße übe. Und mach, daß Ramses mir vergibt und mich freiläßt, setzte ich noch hinzu, aber nur mir soll er vergeben. Ich entschuldigte mich bei dem Priester, daß ich nichts besaß, was ich ihm für seine Dienste und für Wepwawet selbst geben konnte, versprach ihm aber, reichlich zu spenden, falls ich einmal mehr zu bieten hätte als nur meinen Leib. Er lächelte lediglich zuvorkommend und entfernte sich. Die Priester Wepwawets, so dachte ich, als ich umgeben von duftenden, grauen Rauchwölkchen vor meiner Tür stand, sind nicht habgierig. Ganz anders als die mächtigen Diener Amuns.
    Als die Sonne untergehen wollte, nahm ich ein leichtes Mahl zu mir, und dann kleidete Isis mich an. Nach reiflicher Überlegung hatte ich mich für ein schlichtes weißes Kleid entschieden, das von einem breiten Silberkragen fiel, über der Brust gekreuzt war und in der Mitte von einem Silbergürtel gehalten wurde, ehe es mir um die Knöchel rauschte. Schließlich wollte ich ihn nicht verführen. Diese Zeiten waren längst vorbei. Und auch mit den Spielchen war es vorbei. Ich würde als ich selbst zu Ramses gehen, so ehrlich und aufrichtig wie möglich. Die Kosmetikerin pinselte mir blauen Lidschatten auf die Lider, umrandete meine Augen mit schwarzem Khol und schminkte meinen Mund mit ein wenig Henna. Isis nahm mein Haar hinter dem Kopf zusammen und flocht aus den mittlerweile wieder schimmernden Flechten einen Zopf mit Silberbändern, dann befestigte sie eine blau-weiß emaillierte Lotosblüte über jedem Ohr. Große Silberankhs hingen in meinen Ohrläppchen, und über meine Hand schob ich ein Silberarmband, auf das ein goldener Ankh gelötet war. Statt des schweren, sinnlichen Myrrheduftes hatte ich ein leichtes Lotosparfüm gewählt und saß still, während mir Isis das Öl in den Hals massierte und meinen Zopf damit betupfte. Dann trug ich einen Stuhl an meine Tür, setzte mich, faltete die Hände im Schoß und wartete, während Re langsam im Rachen von Nut versank und die Schatten über den Rasen auf mich zugekrochen kamen.
    Als ich sah, wie sich der Unterhofmeister näherte, stand ich auf und ging ihm entgegen, folgte ihm über den Hof und den kurzen, nicht überdachten Gang entlang zu dem schmalen Pfad, der den Harem vom Palast trennte. Rasch überquerte er ihn, redete mit dem Wachtposten an der schmalen, aber ungemein hohen Tür, die als einzige in die den Pfad seitlich begrenzende Mauer eingelassen war, und zum ersten Mal seit siebzehn Jahren beschritt ich wieder den Weg, der zum königlichen Schlafgemach führte. An seinem Ende gelangten wir zu einer mächtigen, mit Gold eingelegten Flügeltür. Stetig und mit leichtem Herzflattern schritt ich darauf zu und verdrängte mit Gewalt die Erinnerungen, die mich überfielen und mir die Fassung zu rauben drohten. Der Unterhofmeister klopfte an. Ein Flügel öffnete sich. Der Mann verbeugte sich, deutete mir weiterzugehen und entfernte sich auf dem Weg, den wir gekommen waren. Ich war auf mich selbst gestellt, holte tief Luft und trat ein.
    Nichts hatte sich verändert. Auf dem sich riesig erstreckenden, mit Lapislazuli eingelegten Fußboden waren noch immer hölzerne Ständer mit Lampen verteilt, und wo ihr gelber Schein hinfiel, glitzerten die Pyriteinschlüsse im matten Blau der Fliesen. Stühle aus Silber und Elektrum standen wie aufs Geratewohl zwischen niedrigen Ebenholztischen, deren Tischflächen golden schimmerten. Die hinteren Wände des großen Raumes verloren sich im Dunkel, doch wie immer konnte man davor aufgereiht die Gestalten von gleichmütig wartenden Dienern ausmachen. Die königliche Lagerstatt stand noch immer auf ihrer Erhebung, auf dem Tischchen daneben drängten sich Arzneitiegel und Krüge.
    Ich hörte, wie sich die Tür dumpf hinter mir schloß. Sofort fiel ich auf die Knie und verbeugte mich so tief, daß meine Stirn den kalten, schönen Lapislazuli berührte, und als ich so kniete, stieg mir ein Geruch in die Nase, den ich aus meiner Zeit als Heilkundige nur zu

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