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Die Herrin Thu

Die Herrin Thu

Titel: Die Herrin Thu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pauline Gedge
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gekommen.“ Jetzt schluchzte ich, raue Schluchzer, die in der Kehle weh taten. „Die Vergangenheit ist wirklich tot, nicht wahr, Pharao? Denn du bist sterbenskrank, und ich habe mich mitten in meinem Rachefeldzug verirrt, und alles ist so anders.“
    „Komm her“, sagte er rau, und ich krabbelte auf das Lager und legte den Kopf an seine Schulter. „Ich bin kein Narr, Thu“, sagte er. „Nimm dir deine Freiheit. Nimm dir, wenn du gehst, was immer du an hübschen Dingen aus dem Harem haben möchtest. Nimm auch deinen Titel zurück. Ich werde es anordnen. Denn bin ich nicht ein Gott, und überschütten die Götter uns nicht mit Segnungen, ob wir sie nun verdienen oder nicht? Ich habe dich geliebt, aber nicht genug. Und du hast mich geliebt, aber nicht genug. Was gewesen ist, ist nicht mehr zu ändern. In ein paar Tagen beginnt der Prozeß, auf den du gewartet hast. Sitz neben deinem Sohn, trage den Kopf hoch, sage endlich gegen die aus, die dich so unbarmherzig benutzt haben. Und wenn alles vorbei ist, geh, wohin du willst, und laß alles hinter dir. Bitte Men, daß er dir erlaubt, ein Weilchen auf seinem Anwesen in Fayum zu bleiben, damit du dich ausruhen und erholen kannst. Geh mit den guten Wünschen dieses alten Gottes.“ Seine Stimme erstarb, und er seufzte.
    Mein Ohr lag auf seiner Brust, und ich konnte hören, wie es beim Atmen in seinen Lungen rasselte, aber trotz allem war unter dem Geruch nach Krankheit noch schwach der Duft zu riechen, an den ich mich so gut erinnerte. Lachen und Liebe, Angst und Jubel, Vergötterung und Verrat - die Erinnerung daran überfiel mich in immer neuen Wellen, und ich weinte, bis ich mich ganz leer fühlte. Dann stand ich auf und blickte auf ihn hinunter. Er hatte die Augen geschlossen, und ich dachte, er schliefe, bückte mich und küßte ihn auf den halb geöffneten Mund.
    „Du bist ein guter Mensch, Ramses“, flüsterte ich. „Ein guter Mensch und ein großer Gott. Ich danke dir. Denk an mich, wenn du deinen Platz in der Himmelsbarke einnimmst.“ Er machte ein Auge auf.
    „Was gibt es da sonst schon zu tun?“ murmelte er schläfrig. „Geh jetzt, liebe Herrin Thu. Möge dein Fuß festen Tritt finden.“ Ich ließ mich vom Lager gleiten, berührte seine Schulter und wandte mich ab. Die Entfernung zur Tür schien noch größer zu werden, als ich über die dunklen Fliesen ging, aber zu guter Letzt kam ich zu meinen Sandalen, zog sie an, fiel auf die Knie und legte die Stirn auf den Boden. Die Lampen funkelten wie kleine Sterne, die sich in dem stillen, großen Raum verloren. Kein Geräusch der wachsamen Diener störte diesen Frieden. Leise schloß ich die Tür hinter mir.
    Als Isis mich dann entkleidet und gewaschen hatte, lag ich auf meinem Lager und meinte, überhaupt nicht schlafen zu können, doch dann fiel ich jäh in eine tiefe Bewußtlosigkeit, aus der ich spät erwachte. Man konnte mir noch immer anmerken, daß ich geweint hatte. Daran sieht man, daß du alt wirst, sagte ich zu mir, als ich den Kupferspiegel hochhielt und mich kritisch musterte. Als du jung warst, konntest du stundenlang lachen und weinen, dich sinnlos betrinken und dennoch morgens so frisch und faltenlos aufstehen wie am Tag zuvor. Oder die Woche zuvor. Oder sogar ein Jahr zuvor. Ich seufzte, weil es stimmte, aber ich stellte keine Ängste bei mir fest. Erst gestern wäre ich schier außer mir gewesen bei dem Anblick meiner geschwollenen Lider und meiner gereizten Haut, doch inzwischen war mir das einerlei. Denn was galt diese alberne Eitelkeit neben der schrecklichen Wirklichkeit, daß der König langsam starb.
    Zwei Männer hatte ich geliebt und einen dritten begehrt. Einer hatte seine tieferen Gefühle für mich geleugnet, damit er mich benutzen konnte. Der andere hatte mich wegen meiner jungfräulichen Schönheit geliebt und mich dann verstoßen. Und der Prinz? Am vergangenen Abend hatte ich jede Möglichkeit verwirkt, von diesem hochgewachsenen, muskulösen Körper in Besitz genommen zu werden, und es galt mir gleich viel. Das war die Wahrheit. Es galt mir gleich viel. Ich hatte Ramses nicht angelogen. Heute war ich so alt wie er, so verbraucht wie er. Ich wollte keine Macht mehr über Männer oder das Königreich. Ich wollte nur noch Gerechtigkeit und mich dann an einen stillen Ort zurückziehen, weit entfernt von Pi-Ramses und auch von Aswat, und dort wollte ich mit Kamen und Takhuru in Abgeschiedenheit leben. Am letzten Abend hatten Ramses und ich die Wunden geheilt, die so lange bei

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