Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Herrin Thu

Die Herrin Thu

Titel: Die Herrin Thu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pauline Gedge
Vom Netzwerk:
uns beiden offen gewesen waren, und ich spürte die Veränderung bis in die Tiefen meines Kas. Es war, als ob alles Farbe bekommen hätte, was so lange nur grau gewesen war.
    Ich ging ins Badehaus und ließ mich waschen und massieren, doch danach machte ich mir nicht die Mühe, nach der Kosmetikerin zu schicken. Ich speiste und schlenderte im Hof herum und unterhielt mich mit den anderen Frauen. Gerüchte über die Verhaftungen machten die Runde und lösten Aufregung und Vermutungen aus, doch ich sprach nicht über meinen Teil an der Angelegenheit. Mir lag nichts daran, die Neugier in den Augen, die mich begrüßten und mir folgten, zu befriedigen.
    Am Spätnachmittag verbeugte sich ein Herold vor mir und reichte mir eine dünne Rolle. Ich dachte, es wäre eine Nachricht von Kamen, erbrach das Siegel, ohne das Wachs zu prüfen, und entdeckte einige wenige Zeilen in hieratischer Schrift, erstaunlicherweise von des Königs eigener Hand. „Liebe Schwester“, las ich. „Ich habe Amunnacht angewiesen, dir zu geben, was immer du dir an hübschen Sachen wünschst, und ich habe dem Hüter des Königlichen Archivs befohlen, die Urkunde mit der Aberkennung deines Titels herauszusuchen und zu vernichten. Wenn du den Harem verlassen möchtest, wird dir mein Schatzmeister fünf Deben Silber auszahlen, so daß du dir Land oder was auch immer kaufen kannst. Vielleicht ist ja ein kleines Anwesen in Fayum erhältlich. Sei glücklich.“ Das Ganze war schlicht mit „Ramses“ unterzeichnet.
    Ich dankte dem Herold mit einem Nicken und ging in meine Zelle, und da stieg mir ein Kloß in den Hals. Also war ich wieder die Herrin Thu. Ich durfte mir die Handflächen und Fußsohlen mit Henna bemalen. Ich durfte in der Marsch mit dem Wurfstock Enten jagen, falls mir danach war. Fünf Deben Silber reichten, um mich für den Rest meines Lebens zu ernähren... Ich versuchte, den Kloß hinunterzuschlucken, der so groß wie ein Ei geworden war und noch mehr Tränen nach sich zu ziehen drohte. Oder ich konnte mir davon ein Haus und Land kaufen, wo ich Gemüse anbauen, mir eine Kuh halten und einen Verwalter und eigene Arbeiter anstellen konnte.
    Zweimal hatte Ramses Fayum erwähnt. Also erinnerte er sich an den Besitz, den er mir übertragen hatte, und wie er mich gehänselt und mich seine kleine Bäuerin genannt hatte.
    Wir hatten ihn zusammen besucht. Das Land war vernachlässigt und das Haus baufällig gewesen, doch er hatte mir erlaubt, eine Nacht in dem leeren Haus zu schlafen, und als wir in den Palast zurückgekehrt waren, hatte ich mich darangemacht, Männer einzustellen, die es wieder in Ordnung bringen sollten. Wie hatte ich das Land geliebt! Die Äcker würden mich ernähren, hatte ich geglaubt. Wir gehörten zueinander, und sie würden mir meine Fürsorge mit üppigen Ernten und Sicherheit und Geborgenheit vergelten, etwas, was nicht rostete oder verblich oder verlorenging.
    Doch nach meinem Sturz hatte man es mir genommen. Alles, was ich als mein eigen angesehen hatte, war mir entrissen und an andere verschenkt worden. Wer besaß es jetzt? Ich wußte es nicht. Doch der Pharao hatte sich erinnert, wie viel mir sein Geschenk bedeutet hatte. Wie ich zwar erlesenes Leinen zwölften Grades getragen hatte und goldbehängt umhergewandert war, mein Herz aber dennoch das Herz einer Bäuerin geblieben war, für die Land etwas Lebendiges war, und jetzt hatte er rasch gehandelt, ehe er nicht mehr in der Lage war, weitere Verfügungen zu erlassen, ehe. Ich saß lange da, den Papyrus im Schoß, und starrte blicklos die hintere Wand meiner Zelle an.
    Eine weitere Woche verging, ehe der Prozeß begann, und in dieser Zeit führte mich Amunnacht in das riesengroße, schwer bewachte Haremslager, öffnete eine leere Truhe und sagte, ich solle mir vom Leinen und Geschmeide hineinlegen, was immer mir beliebe. Ich nahm nicht nur Kleider, Ringe, Ketten, Knöchelkettchen, Ohrringe und Arm- und Kopfreifen, sondern auch kostbare Öle und frisches Natron. Ich fand einen Kosmetiktisch mit Scharnier und Deckel und füllte ihn mit Tiegeln voller Khol und Henna. In einem gesonderten Raum, in dem nur Arzneien lagerten, nahm ich mir einen Kasten und tat Mörser und Stößel hinein, ehe ich ihn mit einer Auswahl an Krautern und Salben füllte, wie ich sie nicht mehr gesehen hatte, seit ich für Hui gearbeitet hatte. „Bin ich zu gierig?“ fragte ich den geduldigen Amunnacht, die Augen auf die vollgestellten Borde gerichtet. Neben ihnen stand einer der

Weitere Kostenlose Bücher