Die Herrin Thu
lachte.
„Deine Eifersucht schmeichelt mir“, sagte er und lächelte stillvergnügt.
Vor den Säulen standen weitere Soldaten mit gezogenen Schwertern und ausgestreckten Speeren. Als wir uns näherten, machten sie vorsichtig Platz und ließen uns durch. Ich sagte: „Kamen, würdest du gern wissen, welchen Namen die Hofastrologen bei deiner Geburt für dich ausgesucht haben?“ Er blickte mich erschrocken an.
„Ihr Götter!“ sagte er leise. „Daran habe ich noch nie gedacht, aber natürlich hatte ich einen Namen, ehe man mich dir weggenommen hat. Warum jetzt, Mutter?“ Wir waren an den abschirmenden Wachtposten vorbei und traten in den kühlen Schatten der Säulen. Und sofort wurde der aufgeregte Lärm hinter uns zu einem gedämpften Gebrumm.
„Weil der Protokollordner Namen und Titel von beiden, Beklagten und Anklägern, aufrufen und dabei deinen ursprünglichen Namen und den, den du jetzt trägst, nennen wird. Ich will nicht, daß du ihn zum ersten Mal von ihm hörst.“ In dem darauffolgenden Schweigen konnte ich spüren, wie er sich angespannt auf das gefaßt machte, was ich sagen würde.
„Sag ihn mir.“ Ich hielt den Blick auf die breiten Schultern des vor mir gehenden Soldaten geheftet.
„Man hat dich Pentauru genannt.“ Seine Anspannung löste sich, er knurrte.
„Hervorragender Schreiber“, sagte er. „Eine eigenartige Wahl für einen Sohn des Pharaos, und für einen Soldaten wie mich ganz und gar unpassend. Er gefällt mir nicht. Ich bleibe Kamen.“
Vor der Tür zum Thronsaal blieben wir stehen. Die war in der Regel geöffnet, damit der stetige Strom von engsten Beratern, Bittstellern und Abordnungen Platz hatte, doch heute ging der Hauptmann mit forschen Schritten darauf zu und klopfte laut mit der behandschuhten Faust an. Offensichtlich sollte der Prozeß hier stattfinden. Sie wurde aufgemacht, und wir schritten mit unserer Eskorte, die jetzt hinter uns ging, hindurch. Der Name gefällt mir auch nicht, dachte ich, während das Platsch-Platsch unserer Sandalen in der jähen Weite widerhallte. Er hat mir noch nie gefallen. Kamen hat ganz recht, wenn er den Namen behalten will, der den Mann ehrt, der ihn großgezogen hat und ihn liebt, aber es wäre schön gewesen, wenn Ramses darum gebeten hätte, ihn zu sehen, auch wenn er nur ein königlicher Bankert unter Dutzenden ist. Wie wird dieses Gericht mit ihm umgehen? Mit der Achtung, wie es sich für einen Halbbruder des Erben gebührt? Ein Unterhofmeister führte uns zu Sitzplätzen an der Wand zur
Rechten, und Kamen nahm den Arm von meiner Schulter. Wir saßen in einer Reihe, Kamen, Men, Nesiamun und ich. Man holte Schemel. Die Soldaten bezogen hinter uns Posten.
Ich merkte, daß Kamen die einfach überwältigende Pracht dieses Saales musterte. Nicht nur der sich dunkel erstreckende Fußboden, sondern auch die Wände waren mit Lapislazuli gefliest, so daß man das Gefühl hatte, in der Tiefe eines dunkelblauen Wassers voller funkelnder Pyriteinschlüsse zu schweben, die in dem heiligen Stein eingeschlossen waren, den nur Götter am Leib tragen durften. Auf goldenen Sockeln von Haupteslänge standen große Alabasterlampen, und Weihrauchgefäße hingen an goldenen Ketten und erfüllten die Luft mit duftendem, bläulichem Rauch. Diener, die in ihren blauweißen, goldgesäumten Tuniken und juwelenbesetzten Sandalen wie Götter gekleidet gingen, standen in gleichmäßigen Abständen an der Wand aufgereiht und warteten darauf, gerufen zu werden.
Hinten im Saal, gegenüber vom Eingang, zog sich eine Estrade von Wand zu Wand, auf der standen zwei goldene Thronsessel auf Löwenfüßen. Die Rückenlehnen aus gehämmertem Gold zeigten Aton, der seine lebensspendenden Strahlen ausbreitete, um die göttlichen Rücken zu umfangen, wenn sie sich anlehnten. Einer war natürlich der Horusthron und dem Pharao vorbehalten. Der andere war für die Große Königliche Gemahlin und Königin, Ast. Ich bemerkte, daß daneben ein dritter Stuhl stand. Hier schlug das Herz von Ägyptens Macht. Hierher kam der Einzig-Eine, um sich anbeten und feiern zu lassen, um fremdländische Würdenträger zu empfangen und seine Erlasse zu verkünden. Die hochragenden Ausmaße des Saals strömten eine beeindruckende Machtfülle aus. Hinter den Thronsesseln linker Hand war eine kleine Tür, die, wie ich wußte, zu einem bescheidenen Ankleidezimmer führte. Durch die war ich mit Hui bei meinem ersten Besuch im Palast gegangen, als er mich vor Ramses’ Angesicht geführt
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