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Die Herrin Thu

Die Herrin Thu

Titel: Die Herrin Thu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pauline Gedge
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verängstigten königlichen Ärzte. Ich kam mir nicht gierig vor. Ich war ganz ruhig und gleichmütig. Ich suchte mir eine Zukunft zusammen, und Ramses würde es erfahren.
    „Nein, Herrin“, erwiderte der Hüter, „doch selbst wenn es so wäre, so macht es nichts. Der König wünscht es.“ Er hatte mich mit meinem Titel angeredet. Also mußte überall bekannt sein, daß ich ihn zurückerhalten hatte. Ich hob einen kleinen Beutel vom Regal, öffnete die Zugschnur und erblickte aufeinandergestapelte, getrocknete Katblätter. Die legte ich oben auf meine übrige Beute.
    Am meisten Freude bereitete mir jedoch eine andere Entdeckung: eine Palette mit mehreren ungebrauchten Pinseln von unterschiedlicher Dicke, ein Stapel Papyrus, ein solider Schaber, um die Blätter zu glätten, und Töpfchen mit Tusche. Diese Dinge drückte ich an meine bereits staubbedeckte Brust und sagte strahlend zu Amunnacht: „Verschnüre die Truhe, versiegele sie und lagere sie hier für mich. Ich werde nach ihr schicken, sowie Kamen und ich irgendwo heimisch geworden sind. Ich möchte an den König schreiben.“ Wortlos verbeugte er sich, und ich verließ ihn dort, trat hinaus in die Hitze des Tages und ging rasch zu meinem Hof zurück. Ich hatte, seit ich die Geschichte meines Lebens im fernen Aswat beendet hatte, nichts mehr mit eigener Hand geschrieben und sehnte mich nach dem vertrauten Gefühl des Pinsels in meiner Hand und der Palette auf meinen Knien. Diese Dinge wollte ich mit einem überschwänglichen Dankesbrief an den König einweihen.
    Man benachrichtigte mich am Tag vor dem Prozeß, und so stand ich bereit, als die beiden Soldaten am frühen Morgen kamen, um mich in den Palast zu begleiten. Ich hatte mich in blaues Leinen und Gold gekleidet, Handflächen und Fußsohlen stolz mit Henna bemalt und Ringe angesteckt, denn durch Isis’ tägliche Pflege waren meine Finger endlich wieder schmal und weich geworden.
    Wir verließen den Harem durch den Haupteingang und schlugen den gepflasterten Weg ein, der sich mit der breiteren Straße vereinte, welche auf die eindrucksvollen Säulen zulief, die den öffentlichen Eingang zum Palast anzeigten. Auf einmal merkte ich, daß die Rasenflächen zwischen der Bootstreppe und der hochragenden Außenmauer des königlichen Bezirks von Menschen wimmelten. Ein Gemurmel lief durch die Menge, als ich erschien, und die erste Reihe drängte vorwärts. Sofort kamen weitere Soldaten gelaufen und umringten mich, schoben sich grob durch das Gedränge. Ich ging ungerührt und hocherhobenen Hauptes weiter, während die Erregung in Wellen durch die Menge lief. Ich hörte mehrfach meinen Namen. „Hauptmann, woher wissen sie Bescheid?“ fragte ich den Mann dicht neben mir. Er hob die Schultern.
    „General Paiis ist in der Stadt beliebt, man konnte seine Verhaftung nicht geheim halten. Der Rest ist Gerücht und Vermutung. Sie sind gekommen, weil sie Blut wittern, nur daß sie nicht recht wissen, wessen Blut.“ In diesem Augenblick rief jemand: „Mutter!“, und ich konnte flüchtig Kamens gequälte Miene sehen, ehe er mich in die Arme schloß. Ich drückte ihn fest an mich, während seine Eskorte und meine mit den andrängenden Leibern ringsum kämpften. Er schob mich lächelnd fort, aber ich fand, daß er schlecht aussah. Seine Augen waren blutunterlaufen, und darunter hatte er trotz des Khols, das sie betonte, dunkle Ringe. „Als ich dich das letzte Mal gesehen habe, warst du barfuß und hattest nichts als einen groben Kittel an“, sagte er. „Ich erkenne dich kaum wieder. Du bist wirklich schön.“
    „Danke, Kamen“, sagte ich. „Aber du siehst krank aus.“
    „Nein“, antwortete er knapp. „Die Warterei hat mir nur zugesetzt.“
    „Wir müssen weitergehen, Herrin“, drängte der Hauptmann. „Ich möchte nicht mit Gewalt gegen diese Menschen vorgehen müssen.“ Kamen blickte mich mit großen Augen an.
    „Herrin?“ fragte er. Ich nickte.
    „Ich habe Frieden mit deinem Vater geschlossen“, sagte ich, „und er hat mir meinen Titel zurückgegeben.“ Hinter ihm standen sein Adoptivvater und Nesiamun, und ich begrüßte sie kurz, während ich zusammen mit Kamen auf die Säulen zuging.
    „Takhuru hat jeden Tag seit unserer Trennung darum gebetet, daß du recht bekommst“, berichtete Kamen. „Sie schickt dir für heute ihre Segenswünsche.“ Aus irgendeinem Grund reizte mich das.
    „Wie nett von ihr“, sagte ich schärfer als beabsichtigt, und er legte mir den Arm um die Schulter und

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