Die Herrin Thu
nichts. Du bist mit einem Mädchen von Adel verlobt. Bitte.“ Er lehnte sich zurück und strich sich mit der Hand über den Kopf, glättete sein zerzaustes, drahtiges Haar mit der vertrauten Geste, die bei ihm Unbehagen bedeutete. „Und was deine Träume betrifft, derlei geht vorüber. Du bist in einem Alter, in dem man allmählich wie ein Erwachsener denkt, das ist alles. Und jetzt geh wieder zu Bett. Weck Setau und laß dich massieren, dann kannst du auch schlafen.“ Er stand auf und ich auch. Er umarmte mich, drückte mich fest an sich, küßte mich auf beide Wangen und begleitete mich zur Tür. „Entzünde Weihrauch für Wepwawet“, sagte er, als ich aus dem Zimmer schlüpfte. „Er hat dich immer geleitet.“
Ja, das hat er, dachte ich, als ich in mein Zimmer zurückkehrte. Er ist mein Verbindungsglied zu meiner wahren Vergangenheit, und er ist nicht nur Kriegsgott, sondern auch Wegbereiter. Wenn er doch mit mir reden würde. Vielleicht redet er ja mit dir, antwortete ein anderer Teil meines Hirns. Vielleicht hat er dir die Träume geschickt, weil er eine dringende Botschaft für dich hat.
Doch ein anderer, eher finsterer Gedanke schoß mir durch den Kopf, und ich blieb, die Hand auf dem Türriegel, stehen. Der Geist meiner Mutter hat mich besucht. Er will etwas. Er kann keine Ruhe finden. Er wird mich quälen, bis ich begreife. Wo ist ihr Grab? Das Grab meines Vaters? Ihr Götter, was ist mit mir los? Ich kehrte meiner Tür den Rücken, rannte die Treppe hinunter und weckte meinen Diener. Unter seinen kundigen Händen entspannte sich mein Körper, und der stechende Schmerz in der Brust ließ nach, doch ich brauchte lange zum Einschlafen.
Diese eine himmlische Nacht schlief ich traumlos. Es war, als ob die Unterhaltung mit meinem Vater dem Traum etwas von seiner Wirkung genommen hatte, und ich erwachte neu belebt und freute mich auf meine Arbeit. Der Schorf auf meiner Schulter löste sich und hinterließ nichts als eine schmale, rote Narbe. Achebsets Familie lud mich zu einer Bootspartie ein, um den prächtigen Hochstand der alljährlichen Überschwemmung zu feiern, und ich nahm freudig an. Als ich zum Haus des Generals aufbrach, sortierten die Gärtner draußen im Garten die Sämereien für die neue Aussaat, und ganz Ägypten schien in Festlaune zu sein, was zu meiner eigenen Stimmung paßte. Doch in dieser Nacht kehrte der Traum zurück wie ein Wechselfieber, und als es dämmerte, lag ich vor Wepwawet auf den Knien, das Weihrauchgefäß in der Hand und verzweifelte Gebete auf den Lippen. Ich quälte mich durch meine Wache wie ein Mann, der sich mit Mohn berauscht hat, kehrte anschließend nach Haus zurück, badete, wechselte die Kleidung und machte mich zu einem Besuch bei Takhuru auf.
Man führte mich in die Empfangshalle und ließ mich so lange warten, daß ich schon gehen wollte, doch schließlich bat mich ein Diener, ihm zu ihren Privatgemächern zu folgen. Ich verspürte keinerlei Ärger über ihre kleinliche Rache, und als ich angemeldet wurde und sie sich von ihrem Schminktisch erhob, da nahm ich sie in die Arme und drückte sie ganz fest. Sie wehrte sich, ihr Körper wurde steif, doch dann entspannte sie sich, und ihre Hände glitten meinen nackten Rücken hoch. Sie hatte sich für den Abend geschminkt, doch ihr Haar war noch nicht geflochten. Es rauschte herunter, und ich verbarg das Gesicht in der Fülle, sog den Duft und den Hauch von Zimt ein, der sie immer begleitete.
„Es tut mir so leid, Takhuru“, sagte ich. „Ich bin dickköpfig und herzlos gewesen. Vergib mir, daß ich dich angebrüllt und dich so lange vernachlässigt habe.“ Sie schob mich von sich, schickte ihre Dienerin mit einem Wink aus dem Zimmer und wandte sich mir mit einem strahlenden Lächeln zu.
„Ich muß mich auch entschuldigen“, sagte sie. „Ich habe Vollkommenheit von dir erwartet, Kamen, denn in meinen Träumen bist du vollkommen, und damit tue ich dir unrecht.
Hat dir mein Fußtritt sehr weh getan?“ Ihre Augen funkelten. „Hoffentlich!“
„Ich habe noch tagelang gelähmt!“ protestierte ich und ahmte ihren üblichen Schmollmund nach, und sie lachte, nahm mich bei der Hand und führte mich zu einem Stuhl. Sie raffte ihr bauschiges Trägerkleid und setzte sich neben mich auf einen Schemel, verschränkte ihre Finger mit meinen und legte sie auf mein Knie.
„Du hast mir gefehlt, aber nicht allzu sehr“, verkündete sie. „Meine Freundin Tjeti hat sich verlobt, und das haben wir tüchtig gefeiert
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