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Die Herrin Thu

Die Herrin Thu

Titel: Die Herrin Thu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pauline Gedge
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mit Bergen von Essen und Tänzerinnen und Scharen von jungen Männern, die mich gut unterhalten haben. Dich hätte ich auch eingeladen, aber du bist zu eklig gewesen.“
    „Tut mir leid“, wiederholte ich. „Komm mit auf die Bootspartie, die Achebsets Eltern geben. Ich möchte nicht ohne dich gehen.“
    „Warum denn nicht?“ gab sie so schroff wie üblich zurück. „Du hättest dich mit Achebset verloben sollen, mit ihm unternimmst du nämlich mehr als mit mir.“ Es stimmt, dachte ich zerknirscht, doch dann ging mir auf, daß es vielleicht an mir lag. Vielleicht war Takhuru für mich so selbstverständlich, daß ich gar nicht daran dachte, Lustbarkeiten zu planen, die uns beiden Spaß machten.
    „Na schön, gehst du dann mit mir ins Bierhaus zum Trinken und Würfeln?“ neckte ich sie. Sie blickte ernst zu mir hoch.
    „Ja, gern, wenn ich mit dir zusammen vergnügt sein könnte. Aber das würde Mutter nie erlauben.“ Ich merkte, daß es ihr ernst damit war, doch als ich mir vorstellte, wie die verwöhnte Takhuru mit ihren juwelenbesetzten Sandalen und dem makellosen Leinen, mit ihrem vornehmen, anspruchsvollen Wesen und ihrer empfindsamen Nase entgeistert inmitten des wüsten Treibens in einem Bierhaus saß und sich bemühte, mir zuliebe Spaß daran zu haben, mußte ich lächeln.
    „Eines Tages nehme ich dich mit“, versprach ich ihr. „Aber erst, wenn wir verheiratet sind, sonst fordert dein Vater noch deine Mitgift zurück und zerreißt den Vertrag.“
    Einen Augenblick lang herrschte Stille, während sie mich eingehend musterte. Dann legte sie die andere Hand auf meine. „Irgend etwas stimmt nicht mit dir, Kamen“, sagte sie leise. „Du siehst krank aus. Nein, vielleicht nicht krank, aber irgendwie gehetzt. Möchtest du darüber sprechen?“ Ihre Scharfsichtigkeit erschreckte mich, denn im allgemeinen schien sie sich nur mit sich selbst zu beschäftigen. Natürlich wollte ich ihr davon erzählen, hatte mich aber vor ihrer Unaufmerksamkeit gefürchtet. Jetzt küßte ich ihr impulsiv die Finger.
    „Danke, Takhuru“, sagte ich. „Ja, ich möchte. Hör mir bitte zu. Ich habe darüber schon mit meinem Vater gesprochen, aber er will mir nicht helfen.“ Und dann erzählte ich ihr von den Träumen und meiner irgendwie unbefriedigenden Unterhaltung mit meinem Vater. Sie saß fast regungslos da, bis ich geendet hatte. Da stand sie auf, ging zu ihrem Schminktisch und spielte mit verschlossener Miene mit ihren Tiegeln und Töpfen. Ich wartete.
    Dann sagte sie: „Ich glaube, du hast recht mit deiner Vermutung, die Hand gehört deiner wahren Mutter. Was ist mit dem Boten, Kamen, mit dem Mann, der dich im Haus deines Vaters abgeliefert hat? Er muß dich doch irgendwo abgeholt haben.“
    „Ja, natürlich. Aber mein Vater hat mir erzählt, der Bote wäre einfach mit mir gekommen, hätte gesagt, daß meine Mutter im Kindbett und mein Vater in den Kriegen des Pharaos gestorben sei, und hätte mich übergeben.“
    Sie drehte sich zu mir um, lehnte sich an den Tisch und verschränkte die Arme. „Ohne vorherige Ankündigung? Ohne eine Rolle, die unterzeichnet werden mußte?“
    „Nichts. Mein Vater hatte sich schon früher in der Stadt nach einem Kind umgehört, das er adoptieren wollte, und dann ist der Bote einfach aufgetaucht.“ Takhuru schien etwas auf der Zunge zu liegen, doch sie machte den Mund wieder zu, kam zu mir und kniete sich neben meinen Stuhl.
    „Verzeih mir, Kamen, aber findest du nicht auch, daß man dich anlügt? Bauern nehmen vielleicht eine Waise auf, ohne sich um deren Abstammung zu kümmern, aber dein Vater ist wohlhabend und von niederem Adel, er würde nie ein x-beliebiges Kind annehmen, einen Säugling, der vielleicht krank ist oder den Keim zu späteren Krankheiten in sich trägt. Es fällt mir schwer zu glauben, daß deine Eltern beschließen, einen Jungen an Kindes Statt anzunehmen, unter ihren Freunden herumfragen, und schwupp, schon tauchst du aus heiterem Himmel auf.“
    Das wollte ich nicht hören. Takhurus Worte bestätigten einen vagen Verdacht, der mir seit einiger Zeit zusetzte. Mir fiel ein, wie heiß sich die Hand meines Vaters auf meiner Haut angefühlt hatte. „Gib dich damit zufrieden. Bitte“, hatte er gesagt, und ich war innerlich zusammengezuckt. Aber ich liebte ihn. Ich vertraute ihm. Er hatte immer große Stücke auf Ehrlichkeit gehalten und mich als Heranwachsenden streng für Lügen oder andere kindliche Missetaten bestraft. Er würde mich doch nicht anlügen -

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