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Die Herrin Thu

Die Herrin Thu

Titel: Die Herrin Thu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pauline Gedge
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oder?
    „Er würde mich niemals anlügen“, sagte ich laut. „Warum auch?“
    „Er würde lügen, wenn es etwas zu verbergen gibt, was dir weh tun könnte“, erwiderte Takhuru. „Aber was mag das sein, vorausgesetzt, das, was ich eben gesagt habe, stimmt, und er würde niemals ein Kind angenommen haben, ohne sich vorher zu vergewissern, daß es für seine Familie und das künftige Geschlecht geeignet ist?“
    „Das künftige Geschlecht!“ Ich beugte mich zu ihr, und auf einmal fröstelte mich. „Takhuru, dein Vater hat in unsere Verlobung trotz der Tatsache eingewilligt, daß du von höherem Adel bist und dein Stammbaum reiner ist als der meines Vaters, trotz der Tatsache, daß mein wahrer Stammbaum, mein Geblüt vollkommen unbekannt sind. Oder vielleicht doch nicht? Vielleicht wissen dein Vater und mein Vater etwas, was sie mir vorenthalten wollen.“ Wir blickten uns groß an. Dann lachte ich. „Aber das ist doch lächerlich! Wir machen aus einer Mücke einen Elefanten.“ Sie griff hinter sich, zog ein Polster heran, ließ sich zurücksinken und kreuzte die Beine unter dem fließenden Trägerkleid. Ich mußte insgeheim lächeln.
    „Trotzdem werde ich meinen Vater danach fragen“, sagte sie entschlossen. „Mach dir keine Sorgen, Kamen. Ich passe schon auf. Vielleicht deute ich an, daß ich mich gräme, ich könnte mich unter meinem Stand verheiraten und möglicherweise Kinder bekommen, deren Blut nicht rein ist. Ich bin ein überhebliches und hochnäsiges Mädchen, stimmt’s? Und es ist mir einerlei, daß ich so bin. Er wird also meine Frage nicht sonderbar finden. Falls er mir nicht antwortet, durchsuche ich sein Arbeitszimmer. Er hat viele Truhen voller Rollen. Hauptsächlich über den Betrieb der Fayence-Werkstätten, Abrechnungen, Arbeiter und so weiter. Aber vielleicht finde ich auch etwas über dich. Unsere
    Väter haben den Verlobungsvertrag im vorigen Jahr unterschrieben. Ob darin wohl etwas steht?“ Jetzt wunderte ich mich wirklich.
    „Du hast mich heute schon zweimal in Erstaunen versetzt!“ platzte ich heraus. „Da bin ich also mit einer verschlagenen kleinen Hexe verlobt, die Bierhäuser aufsuchen möchte!“ Sie kicherte, warf den Kopf zurück und war sehr zufrieden mit sich. Ich ließ mich vom Stuhl gleiten, zog sie in die Arme und küßte sie. Dieses Mal wehrte sie sich nicht, sondern erwiderte den Kuß feurig.
    „Wie wäre es“, sagte sie, als wir uns erhitzt und keuchend voneinander lösten, „wenn du mit einem Geschenk zum Seher gehen würdest. Für gewöhnliche Leute sieht er nicht in die Zukunft, aber dein Vater treibt Handel mit ihm, also wird er dir den Gefallen tun. Befrage ihn zu deinen Träumen, zu deiner Geburt. Wenn irgend jemand in Ägypten dir helfen kann, dann er. Und jetzt gehst du besser. Wir haben heute einen der königlichen Haushofmeister zu Gast, und ich bin noch lange nicht fertig.“ Ich tat so, als wollte ich sie schon wieder küssen, doch sie entwand sich mir, und ich bestand nicht weiter darauf. Als ich ihre Empfangshalle durchquerte, in der es köstlich nach gutem Essen duftete und in der man die Stimmen der Diener im dahinterliegenden Speisesaal murmeln hören konnte, da schwante mir zum ersten Mal, daß ich mit einem Mädchen verlobt war, dem ich bislang keinen Geschmack an Intrigen zugetraut hatte.

 
Viertes Kapitel
    Ihr Vorschlag hinsichtlich des Sehers war gut gewesen, und so diktierte ich Setau noch an diesem Abend meine Bitte um eine Audienz, denn Setau diente mir auch als Schreiber, wenn ich gelegentlich nicht wollte, daß Kaha, der Schreiber meines Vaters, etwas von meinen Angelegenheiten erfuhr. Nachdem ich ihn gebeten hatte, die Rolle am nächsten Morgen persönlich vorbeizubringen, ging ich durch den abend-dämmrigen Garten zum Anlegeplatz, wo unsere Boote schaukelten. Ich löste den Einer aus der Vertäuung, griff zu den Riemen und ruderte hinaus in die Strömung.
    Der Abend verschmolz Wasser mit Ufer und das Ufer mit dem Bewuchs längs des Weges, so daß ich durch ein Meer warmer, sich öffnender und mich umschließender Dunkelheit zu rudern schien. Ich begegnete niemandem und hörte auch nichts als das Knarren der Riemen und meinen eigenen raschen Atem. Der Traumzustand, in dem ich dahintrieb, war unendlich viel besser als die Alpträume meines Unterbewußtseins, daher dauerte es lange, bis ich umdrehte und nach Haus ruderte.
    Mehrere Tage lang hörte ich nichts von dem Seher, ich ging also weiter meiner Arbeit nach und wurde weiter von

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