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Die Herrin Thu

Die Herrin Thu

Titel: Die Herrin Thu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pauline Gedge
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zurückgehen, denn er führte zu einem Fischteich, der fast unter Seerosen- und Lotosblättern erstickte. Eine große Sykomore mit verschlungenen Asten beugte sich darüber. Jetzt schlug ich das ein, was ich für den mittleren Weg hielt, ging zwischen Dornenhecken entlang und passierte rechter Hand einen noch größeren Teich, der mit Sicherheit zum Schwimmen gedacht war. An seinem hinteren Ende stand eine kleine Hütte.
    Darauf kam ich an einem Schrein vorbei. Hinter dem Gabentisch stand ein erschreckend lebensähnliches Abbild von Thot, dem Gott der Weisheit und der Schrift. Sein langer Ibisschnabel warf einen geschwungenen Schatten auf den kleinen Altar, und seine runden, schwarzen Augen verfolgten mich, als ich ihm huldigte und dann weiterging.
    Auf einmal traten die Bäume zurück, ich durchschritt eine Pforte, die in die niedrige Mauer um einen gepflasterten Hof eingelassen war. Vor mir erhob sich das Haus mit weißen Säulen vor dem Eingang, die sich jetzt rosig färbten. Vorsichtig näherte ich mich. Niemand schien zugegen zu sein, und abgesehen vom Klatschen meiner Sandalen auf dem Pflaster war kein Laut zu hören. Vor dem gähnenden Eingang blieb ich stehen, denn noch einmal überfiel mich die gleiche Scheu wie unter dem Pylon. Doch gerade als ich tief Luft holte und mich zum Weitergehen zwang, tauchte hinter der nächsten Säule ein Diener auf, hob die Hand, lächelte und verschwand in die Tiefe des Hauses. Ich wartete mit dem Rücken zum Hof, die Augen auf das Dunkel gerichtet, in das der Diener entschwunden war.
    Dann wurde die Leere von dem gewaltigsten Mann ausgefüllt, den ich je erblickt hatte. Ich mußte auf der Stelle an den heiligen Apis-Stier denken, denn seine mächtigen Schultern und sein starker Hals, auf dem ein großer Kopf saß, strahlten eine animalische Kraft aus. Sein Bauch wölbte sich über dem wadenlangen Schurz und offenbarte eine prächtige Fülle. Falls ich ihn umarmte, würden sich meine Fingerspitzen auf seinem Rücken nicht berühren. Als ob ich etwas derart Unehrerbietiges vorgehabt hätte. Allein schon bei dem Gedanken erschauerte ich innerlich, denn er hätte mir, ohne mit der Wimper zu zucken, die Arme brechen können. Und trotzdem war er nicht mehr jung. Seine Wangen hingen und waren tief gefurcht, und an den Schläfen und um den vollen Mund hatte er Fältchen. Mit Sicherheit verbarg das gestärkte Leinenkopftuch einen rasierten Schädel, denn auf seinem Körper war kein Haar zu sehen. Er neigte den Kopf.
    „Guten Abend, Offizier Kamen“, sagte er mit dröhnender Stimme. „Ich bin Harshira, der Haushofmeister des Sehers. Du wirst erwartet. Folge mir.“ Seine schwarzen, in üppiges Fleisch gebetteten Augen schätzten mich kühl ab, ehe er sich umdrehte und fast geräuschlos davonglitt. Sein gewaltiger Körper bewegte sich mit überraschender Behändigkeit. Ich gehorchte.
    Hinter dem Eingang tat sich ein Saal auf, auf dessen glänzend gekacheltem Fußboden weitere weiße Säulen emporragten. Stühle aus Zedernholz mit Intarsien aus Gold und Elfenbein waren wie zufällig angeordnet, dazu niedrige Tische mit Tischplatten aus blauer und grüner Fayence-Arbeit. Ein Diener zündete Lampen an, die auf hohen Sockeln standen, und dabei wurden die Fest- und Jagdszenen auf den Wänden lebendig. Die hätte ich mir gern angesehen, doch Harshira trat bereits durch die Flügeltür am Ende des Saals in ein kleines Vorzimmer. Ich beeilte mich, Schritt zu halten, vorbei an einer Treppe, die sich in Dunkelheit verlor. Wir gingen einen langen Flur entlang, bis der Haushofmeister vor einer Tür stehenblieb und anklopfte. Eine Stimme antwortete.
    „Du darfst eintreten“, sagte Harshira, öffnete mir die Tür und trat beiseite. Ich trat ein, und hinter mir schloß sich die Tür leise.
    Als erstes fiel mir der Geruch auf, eine Mischung aus lieblichen Kräutern und Gewürzen. Der Hauch von Zimt brachte mir Takhurus Gesicht vor Augen, dazu gesellten sich Myrrhe und Koriander und andere Düfte, die ich nicht erkannte, doch der alles übertönende Duft war Jasmin. Als zweites fiel mir auf, wie ungemein ordentlich es hier war. Das ganze Zimmer war von oben bis unten voller Regale, und auf den Borden drängten sich Kästen, doch sie waren säuberlich gestapelt, und jeder trug eine Beschriftung. Zu meiner Rechten und fast durch die vorstehenden Regale verborgen befand sich eine kleine Tür und eine weitere Tür in der Wand gegenüber. Vor mir, unter einem hohen Fenster, stand ein großer

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