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Die Herrin Thu

Die Herrin Thu

Titel: Die Herrin Thu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pauline Gedge
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verpflichtet bin, wie du weißt: Es ist Brauch, daß ein Verbrecher persönlich identifiziert wird. Du hast sie nicht nur gesehen, sondern auch mit ihr gesprochen. Jeder andere Soldat, den ich auswählen würde, könnte einen Fehler machen.“
    „Ein Mitglied ihrer Familie könnte sie identifizieren. Oder einer der Dorfbewohner.“
    „Würdest du in solch einer Situation mit dem Finger auf ein Mitglied deiner Familie zeigen?“ fragte er. „Und was die Dorfbewohner angeht, so möchte ich das Ganze rasch und ohne viel Aufsehen abwickeln. Die Dorfbewohner haben lange genug unter ihr gelitten. Desgleichen die königlichen Herolde und jeder andere Höherstehende, der seine Geschäfte oder Ägyptens Geschäfte unbehelligt tätigen möchte, ohne befürchten zu müssen, von dieser aufdringlichen Person belästigt zu werden. Die Beschwerden sind schließlich gehört worden. Sie soll für eine gewisse Zeit eingesperrt werden. Man wird freundlich, aber bestimmt mit ihr umgehen, und wenn man sie freiläßt, wird man sie ermahnen, daß sie noch länger verbannt bleibt, falls sie die Reisenden auf dem Fluß weiter behelligt.“
    „Aha“, sagte ich, doch ich wunderte mich schon wieder, warum sich die Behörden vor Ort, in Aswat, nicht mit den Beschwerden befaßten und warum sich ein so mächtiger und einflußreicher Mann wie Paiis mit dieser unbedeutenden Angelegenheit abgab. Auf einmal kamen seine Worte bei mir an, und ich reckte den Kopf. „Noch länger verbannt, mein General? Dann ist sie also nach Aswat verbannt worden? So stimmt zumindest dieser Teil ihrer Geschichte. Hast du den Kasten aufgemacht und darin ihre Geschichte gefunden, wie sie mir geschworen hat?“
    Er stand auf, ging um den Tisch herum, und mich wehte eine Mischung aus Lotosparfüm und Männerschweiß an. „Ich habe den Kasten nicht geöffnet“, sagte er mit Nachdruck, so als redete er mit einem kleinen Kind. „Ich habe mich seiner entledigt, wie du es gleich hättest tun sollen. Ich habe ihn weggeworfen. Das Wort Verbannung ist mir unbeabsichtigt unterlaufen. Sie stammt aus Aswat, und ihr Wahnsinn hält sie dort fest. Mehr habe ich damit nicht gemeint. Du läufst Gefahr, nicht nur deine Stellung in diesem Haus zu verlieren, sondern auch unser Vertrauen, daß du ein guter Soldat mit einer vielversprechenden Zukunft bist. Noch sehe ich das Ganze als jugendliche Besessenheit mit dem anrührenden Schicksal dieser Frau.“ Er packte mich bei der Schulter, und seine Miene wurde weicher. „Ich vergesse also, daß du die Unverschämtheit gehabt hast, deine Befehle in dieser Sache in Frage zu stellen, falls du bereit bist, sie gewissenhaft auszuführen und dir jeden Gedanken an Aswat aus dem Kopf zu schlagen. Abgemacht?“ Jetzt lächelte er ein herzliches, strahlendes Lächeln, und ich reagierte, indem ich mich seinem Griff entzog und mich verbeugte.
    „Du bist großmütig, General“, sagte ich. „Kenne ich den Söldner, den du für diese Ausgabe ausgewählt hast?“
    „Nein. Ich habe noch keinen ausgewählt. Doch ich erwarte, daß du binnen vier Tagen reisefertig bist. Und jetzt bist du endgültig entlassen.“
    Ich salutierte und ging zur Tür. Als ich mich umdrehte, um sie hinter mir zuzumachen, beobachtete er mich noch immer mit unter der Brust verschränkten Armen, und sein Gesichtsausdruck war nicht mehr gütig. Sein eindringlicher, schwarzer Blick war gänzlich ausdruckslos geworden.
    Als ich meine Wache für diesen Tag beendet hatte, verbrachte ich den Abend damit, den Dienstplan für die Wachmannschaft umzustellen, und erteilte Befehle, das von mir ausgesuchte Boot mit Proviant zu versorgen. Paiis besaß mehrere Einer, Flöße und andere Boote, doch ich wunderte mich, warum er mir nicht befohlen hatte, eines aus dem kleinen Militärhafen zu holen, der am Residenzsee an die Kasernen grenzte. Und ich wunderte mich auch, warum ich über Nacht nicht anlegen durfte, weil man mich beobachten könne. Die ganze Sache roch mir nach übermäßiger Heimlichtuerei, und das schmeckte mir gar nicht. Warum mußte die schlichte Verhaftung einer jämmerlichen Bauersfrau geheimgehalten werden? Vor allem, wenn sie nur für kurze Zeit festgehalten und dann wieder freigelassen werden sollte? Warum wurde der Dorfschulze von Aswat nicht angewiesen, sie unter Hausarrest zu stellen? Je länger ich darüber nachdachte, desto alberner kam mir die ganze Angelegenheit vor, und meine Freude, daß ich sie tatsächlich wiedersehen würde, wurde allmählich von unguten

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