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Die Herrin Thu

Die Herrin Thu

Titel: Die Herrin Thu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pauline Gedge
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ins Delta zurückzukehren. Ich habe mich für die Rückreise entschieden und übernehme die Verantwortung dafür. Ich hoffe, ich habe wie ein guter Offizier gehandelt. Mein Vorschlag ist, daß du eine Botschaft nach Aswat schickst und einem Beamten vor Ort befiehlst, daß er sie festnimmt. Jemand, der die Umtriebe und Gewohnheiten der Frau kennt.“ War ich zu weit gegangen? Seine dunklen Augen betrachteten mich nachdenklich, kühl, aber ich konnte seinem Blick leicht standhalten. Hoffentlich blickte ich abbittend genug.
    Während dieses Blickwechsels wurde mir klar, daß auch der Mörder nur ein Werkzeug gewesen war. Paiis selbst war die treibende Kraft, die dieses Werkzeug handhabte, die ursprüngliche Kraft, die das Werkzeug in Bewegung gesetzt hatte. Vermutlich haßte er die Frau nicht, mich übrigens auch nicht.
    Sein Motiv hatte nichts mit Gefühlen zu tun; tatsächlich hatte er mich wohl sehr gern. Sein Entschluß war reiner Selbstschutz. Er hatte eine mögliche Gefahr gewittert und sich sorgfältig ausgerechnet, wie weit er gehen durfte. Und dann hatte er gehandelt. Alles Begabungen, die ein hoher militärischer Befehlshaber brauchte. Thu hatte gesagt, daß er es wieder versuchen würde. Als ich in diese Augen blickte, die nichts verrieten, wußte ich, daß sie recht hatte.
    Er verzog das Gesicht und lehnte sich zurück, der beifällige Blick schwand. „Ich bin überzeugt, daß du dich so verhalten hast, wie man es von dir erwarten durfte“, sagte er knapp. „Trotzdem muß ich sagen, daß mir das Verhalten des Söldners ein Rätsel ist, und natürlich werde ich sein eigenartiges Verschwinden untersuchen lassen. Was meinst du, könnte ihm etwas zugestoßen sein?“ Ich bemühte mich nach besten Kräften um eine entgeisterte Miene. Als Schauspieler war ich allmählich gar nicht mehr so schlecht, dachte ich bei mir.
    „Zugestoßen?“ wiederholte ich. „Ach, das glaube ich nicht, General. Was könnte ihm bei einem so banalen Auftrag schon zugestoßen sein? Ich muß gestehen, daß ich ihn nicht gemocht und ihm auch nicht über den Weg getraut habe. Er hat sich in seine Kabine zurückgezogen und tagelang mit niemandem geredet. Ich vermute, er ist schlicht dem Ruf der Wüste gefolgt, als wir die dichter besiedelten Gegenden hinter uns gelassen hatten, hat das Pflichtgefühl in den Wind geschlagen, das jemanden, der kein Barbar ist, bei der Stange gehalten hätte. Er ist doch ein Sohn der Wüste, oder nicht?“ Paiis warf mir einen scharfen Blick zu.
    „Das dürfte offenkundig gewesen sein“, sagte er, „und ich denke, wir werden ihn nie wiedersehen. Sag, Kamen, was ist mit dem Kasten, den du mir gebracht hast? Hast du ihn geöffnet?“
    „Nein, General. Das wäre unehrenhaft gewesen. Und da die Frau für wahnsinnig gehalten wurde, habe ich mir gedacht, er enthält nichts Wichtiges. Die Knoten waren bemerkenswert kunstvoll. Ich hätte sie gar nicht neu knüpfen können.“ Jetzt lächelte er.
    „Ein wahrer Trost, dieses Ehrgefühl“, murmelte er. „Ein Mensch mit so viel Gespür für Richtig und Falsch muß keine schwierigen Entscheidungen treffen. Die Maat trifft sie für ihn. Du kannst gehen, Kamen, doch ehe du gehst, muß ich dir mitteilen, daß dein Dienst in diesem Haus beendet ist. Du hast mich gut bewacht, aber wir brauchen beide eine Veränderung. Du kehrst zur weiteren Ausbildung an die Offiziersschule zurück und bekommst einen anderen Posten.“
    Ein Dutzend Gedanken schossen mir durch den Kopf. Das hat er gerade beschlossen. Er hat mir kein Wort meiner Geschichte abgenommen und fühlt sich nicht mehr sicher, wenn ich nachts durch seine Räume gehe. Er will mir keine Gelegenheit geben, das Manuskript zu lesen, und er will mich in die Kaserne zurückschicken, damit er mich dort umbringen kann, wann es ihm beliebt. Ein Unfall auf dem Exerzierplatz vielleicht. Er wird seinen Einfluß geltend machen und mich nach Nubien oder in eine der Festungen im Osten abordnen. Ich bemühte mich nach besten Kräften, mir diese Gedankengänge nicht an der Nase ablesen zu lassen, und salutierte. „Ich bin zufrieden in deinen Diensten, General“, sagte ich. „Hoffentlich habe ich nicht irgendwie dein Mißfallen erregt oder dein Haus nicht gut genug bewacht.“
    „Ich kann mich nicht beschweren, Kamen“, versicherte er mir und stand auf. „Aber du bist ein junger Mann. Du brauchst einen Posten, der dich mehr fordert, etwas, wo du deine Fähigkeiten weiter schulen kannst. Ich werde dich natürlich im Auge

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