Die Herrin Thu
grüßten mich, doch ich blieb nicht stehen.
Keuchend bog ich in Nesiamuns Tor ein, warf dem erschrockenen Torhüter eine atemlose Begrüßung über die Schulter zu und hatte gerade noch Zeit, hinter einem ausladenden Busch in Deckung zu gehen, als Nesiamun höchstpersönlich auf mich zukam, tief ins Gespräch mit zwei anderen Männern versunken. Eine leere Sänfte mit dunkelroten, baumelnden Quasten und golddurchwirkten Vorhängen, die in der Mittagssonne funkelten, wurde hinter ihnen hergetragen. „Ein Mangel an pulverisiertem Quarz hat uns aufgehalten“, sagte Nesiamun gerade, „doch das Problem sollte morgen gelöst sein, es sei denn, die Männer in den Steinbrüchen wollen streiken. Es gibt einfach zu viele unfähige Aufseher, die sich ihre Stellung gekauft haben und keinen blassen Schimmer von der Herstellung von Fayence besitzen. Ich habe große Schwierigkeiten, sie loszuwerden. Ihre Verwandten sind einflußreich und einige sogar mit mir befreundet. Aber das wichtigste ist immer noch die Produktion...“ Seine Worte verklangen, als er und seine Begleiter um eine Biegung verschwanden.
Es war nicht weiter schwierig, sich in Nesiamuns Garten unsichtbar zu machen. Ich mied den gewundenen Pfad und dachte, daß meine letzten Besuche bei meiner Verlobten den heimlichen Besuchen eines Liebhabers geglichen hatten. Auf einmal widerte es mich an, daß mein Leben zu einer Abfolge von Heimlichkeiten geworden war. Mir war, als setzte ich mit jedem Geschehnis eine neue Schmutzschicht in meinem Inneren an. Dabei wollte ich doch sauber und offen durchs Leben gehen.
Als ich mich dem Haus näherte, hörte ich Takhurus Mutter, Adjetau, lachen und über dem Geklapper von Geschirr das Gemurmel von Frauenstimmen. Sie bewirtete ihre Freundinnen in der Eingangshalle, daher konnte ich dort nicht durchgehen, wenn ich nicht aufgefordert werden wollte, unter den forschenden Blicken der Edelfrauen Platz zu nehmen und Wein und Honigkuchen zu verspeisen. Und für eine höfliche Unterhaltung war ich auch nicht angezogen. Ich verzog mich also tiefer ins Gebüsch und überlegte, was ich nun tun sollte.
Als ich mich dem Teich im hinteren Teil des Anwesens näherte, erhaschte ich durch das Blätterwerk einen Blick auf wehendes weißes Leinen. Ich schlich näher. Takhuru hatte gerade das Wasser verlassen und wollte den nackten Leib in ein riesiges Tuch hüllen. Sie stand aufrecht, hielt die Arme ausgestreckt und hatte mit den Händen die Zipfel gefaßt, und ganz kurz sah ich ihre kleinen Brüste, die sich dabei anhoben, ihr langes, schwarzes Haar, das ihr strähnig auf die Ellenbogen fiel, und das Wasser, das ihr glitzernd am Bauch und an den beiden Vertiefungen neben ihrer Scham und dann innen an ihren Oberschenkeln herablief. Ein herrlicher Anblick, bei dem ich einen Augenblick lang alles andere vergaß. Dann hatte sie sich in das Tuch gewickelt, ließ sich auf einer Matte am Beckenrand nieder und griff nach einem Kamm. Vorsichtig trat ich aus dem Schatten. „Kamen!“ platzte sie heraus. „Was tust du hier?“ Rasch ging ich zu ihr, hockte mich neben sie und hielt nach ihrer Leibdienerin Ausschau. „Sie ist ins Haus gegangen und holt meinen Sonnenschirm“, erklärte Takhuru, die bemerkte, wie ich mich umsah. „Ich wollte noch ein wenig draußen bleiben, auf diese Weise entgehe ich Mutters Klatschtanten. Kommst du schon wieder mit einem Rätsel?“ Ich nickte.
„Kann sein.“ Bei diesen Worten holte ich die Statuette von Wepwawet aus dem Beutel und legte sie ihr in die feuchte Hand. „Ich möchte, daß du das hier zwischen deine Polster und Tiegel stellst“, sagte ich und zeigte auf das Durcheinander neben ihr. „Und dann möchte ich, daß du die Frau aus Aswat holen läßt. Wenn sie da ist, schickst du bitte deine Leibdienerin fort. Es ist einerlei, um was du die Frau dann bittest. Daß sie dir das Haar kämmt oder dich einölt. Hauptsache, sie bemerkt irgendwann meinen Schutzgott. Ich verstecke mich und sehe zu.“
„Warum?“
„Das erzähle ich dir später, jetzt will ich nur, daß du ihre Reaktion darauf siehst, ohne daß du weißt warum.“
„Na schön.“ Sie rümpfte das Naschen. „Da kommt Isis mit dem Sonnenschirm. Kannst du mir nicht einen klitzekleinen Wink geben, Kamen?“ Als Antwort küßte ich sie, stand auf und hatte gerade das schützende Gebüsch erreicht, als ihre Dienerin auftauchte und das weiße Leinenrund über ihr entfaltete. Takhuru tastete zwischen ihren Besitztümern herum, fand ein Stück Zimt,
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