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Die Herrin von Avalon

Die Herrin von Avalon

Titel: Die Herrin von Avalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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eine schwangere Frau war fester mit ihrem Körper verbunden, und das Gesicht konnte für das ungeborene Kind gefährlich werden. Doch als Ana entschlossen an ihrer Tochter vorbeiging, wußte sie, daß sie Viviane nicht deshalb zurückgehalten hatte.
    Sie blinzelte und zwang ihre Augen, noch ein wenig länger die Umgebung wahrzunehmen. Es war Zeit, allen zu zeigen, weshalb sie immer noch die Hohepriesterin von Avalon war.
    Man hatte ein Schaffell an den Teichrand gelegt. Nectan half ihr beim Niederknien. Ana umklammerte vorsichtig den kalten Stein und suchte Halt, denn die Pilze entfalteten bereits ihre volle Wirkung. Die Muskeln spannten sich mit der Disziplin langer Übung und würden sich erst später wieder lockern. Ihr langes Haar fiel zu beiden Seiten des Körpers herab und verhinderte, daß sie aus den Augenwinkeln etwas von der Wirklichkeit wahrnahm. Mit einem tiefen Atemzug wurde sie ruhig, beim nächsten durchlief sie ein heftiger Schauer, beim dritten schwebte ihr Bewußtsein außerhalb des Körpers.
    Die Kräuselung des Wassers wurde zu Hügeln und Tälern. Die sich überschneidenden Linien der Kraft durchzogen das Land wie Adern aus Licht. Auf diesen Bahnen drängten sich Geister, die zu den flackernden Samhain-Feuern eilten.
    »Weiße Stute, ich bitte dich, sprich zu uns.« Nectans Stimme trieb aus der Welt herüber, die sie hinter sich gelassen hatte. »Sage uns, was du siehst.«
    »Im Land herrscht Frieden, und die Wege sind offen. Die Toten kommen nach Hause ... «
    »Und im kommenden Jahr? Werden Regen und Sonne unsere Felder segnen?«
    Nasses Grau füllte Anas Blickfeld, und sie hustete, als werde sie ertrinken. »Füllt eure Lager und bereitet die Häuser gut vor, denn es kommt ein kalter Winter, und die Fluten werden alle flachen Landstriche Britanniens bedecken ... «
    Irgendwo in der anderen Welt murmelten verängstigte Menschen, doch die Vision nahm ihren Lauf.
    »Im Frühling sehe ich Stürme und Flüsse, die über die Ufer treten und die Felder überschwemmen. Ein schweres Jahr kommt auf euch zu und eine magere Ernte ... «
    Es entstand eine Pause. Ana schwebte an einem Ort jenseits der Zeit und beobachtete Regenbogen, die hell erstrahlten und wieder verblaßten.
    »Aber werden wir in Frieden leben?« Nectans Stimme zog sie zurück in Richtung Welt. »Wird Britannien sicher sein vor Gefahren durch Menschen?«
    Ein plötzliches Gelächter schüttelte sie. »In diesem Land leben viele Menschen. Wie kann es sicher vor ihnen sein?«
    Eine andere Stimme unterbrach sie, die Stimme ihrer Tochter. »Werden die Sachsen zurückkommen?«
    Ihr Blick stieg in schwindelerregenden Spiralen in die Höhe und zeigte ihr das blaugraue Meer und das Land dahinter, wo sich braunes Wasser über die tiefliegenden Felder wälzte. Anas Lippen bewegten sich, aber sie war so sehr von der Vision gepackt, daß sie ihre Worte nicht hörte.
    Sie sah ertrunkene Menschen und ertrunkenes Vieh und eine Ernte, die noch schlechter war als die, die sie für Britannien vorhergesagt hatte. Die Jahreszeiten vergingen; sie waren gleichermaßen naß, wenn auch nicht so kalt. Nach einiger Zeit begannen die Männer, ihre Hallen abzubrechen und aus dem Holz Schiffe zu bauen. Heere wurden zusammengezogen, und aus den drei Schiffen, mit denen Hengist geflohen war, wurden mehr und immer mehr.
    »Nein!« Ana hörte, wie sie die Vision zurückwies, doch sie konnte ihr nicht entrinnen. »Das will ich nicht!«
    »Was siehst du?« Vivianes Stimme klang angstvoll.
    »Fünf Winter vergehen, aber die Sachsen sammeln sich. Sie fliegen wie die Wildgänse über das Meer. Es sind viele - es waren noch nie so viele -, und sie fallen über unsere Küste her ... «
    Sie krümmte sich. Sie wollte das Wissen leugnen, das sich ihr aufdrängte. Sie mußte dem Morden und Plündern Einhalt gebieten! Sie hatten genug gelitten. Sie würde alles tun, um zu verhindern, daß es soweit kam!
    »Ana, es ist genug!« Nectans Stimme klang wie ein Befehl. »Laß die Bilder vorbeiziehen. Die Dunkelheit soll sie hinwegfegen!« Sie schluchzte, als seine Stimme weicher wurde, ihren Namen rief, ihre Ängste beschwichtigte und sie ans Feuer führte. Schließlich öffnete sie die Augen und sank zitternd in seine Arme.
    »Du hättest es besser wissen müssen und ihr die letzte Frage nicht stellen dürfen«, sagte jemand.
    »Ach nein?« hörte sie Viviane erwidern. »Sie wollte es so und nicht anders ... «

    Viviane blieb am Spiegelteich zurück, als die anderen ihrer Mutter

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