Die Herrin von Avalon
sagen. »Hadrian, der Spanier ... «
»Seit Claudius hat kein Kaiser Britannien besucht ... «, unterbrach ihn Gawen, ohne den Blick von dem Tal zu wenden. War das dort unten eine Staubwolke oder der Rauch eines Feuers? Er richtete sich auf und hielt die Hand über die Augen, dann setzte er sich wieder. »Die Rebellen müssen sich noch viel einfallen lassen, damit der Kaiser geruht, sich mit ihnen zu beschäftigen ... «
»Da hast du recht. Diese Wilden können nicht lange zusammenhalten. Auch mit einem richtigen Anführer wie bei der Schlacht am Mons Graupius haben sie gegen uns verloren. Damals sind die Stämme endgültig besiegt worden.«
»Das hat auch mein Vater geglaubt.« Gawen erinnerte sich daran, mit welchem Stolz sein Großvater über die militärischen Erfolge seines Sohnes gesprochen hatte. »Er war damals mit dabei.«
»Das hast du mir nie gesagt!« Arius sah ihn staunend an.
Gawen zuckte die Schultern. Es fiel ihm schwer, sich den Sohn von Macellius als seinen Vater vorzustellen. Dabei mußte er nur die Marmorbüste im Arbeitszimmer seines Großvaters ansehen und sich in einem Spiegel betrachten, um zu wissen, daß es so war. In der Schlacht am Mons Graupius hatte sein Vater mutig gekämpft. Gawen wußte nicht so genau, wie er sich schlagen würde, wenn er sich im Kampf bewähren sollte.
»Wenn sie keinen neuen Anführer haben, der einem Calgacus gleichkommt, werden sie nicht lange eine Gefahr für uns sein«, sagte er laut.
Arius seufzte. »Wenn die Neunte auf die Rebellen trifft, wird das Ganze bestimmt schnell vorbei sein. Wenn überhaupt, wird man dem Kaiser eine unbedeutende Grenzauseinandersetzung melden. Die Schlacht wird nicht einmal einen Namen bekommen.«
Man wird sehen ...
Gawen teilte trotz gewisser Zweifel die Ansicht von Arius. Er hatte in den vergangenen Monaten die Disziplin und die militärische Schlagkraft des römischen Heers kennengelernt. Die Krieger der Stämme besaßen zwar großen Mut, aber nur ein Wunder würde ihnen den Sieg schenken. Er erinnerte sich an den Traum mit der Göttin der Raben, aber wahrscheinlich hatte er sich das alles nur eingebildet. Die blitzenden Schwerter der Legionäre waren die Wirklichkeit des Tages.
»Dann beginnt für uns wieder der langweilige Alltag«, fuhr Arius fort. »Das tägliche Exerzieren ... eine echte Schinderei!«
»›Sie haben aus dem Land eine Wüste gemacht und sagen, das sei der Friede ... ‹«, zitierte Gawen leise. »Tacitus hat das nach der Unterwerfung des Nordens gesagt. Wir werden hinterher vielleicht froh über den eintönigen Alltag sein.«
Er schüttelte unwillig den Kopf. Er hatte offenbar genau die Gedanken, die jemand vor einem Kampf hat. Er zwang sich zu lachen und richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf die Berge im Norden.
Arius sah den Feind zuerst. Er tauchte eilig aus dem Dickicht auf, wo er sich erleichtert hatte, und winkte aufgeregt. Gawen verließ seinen Platz unter den Kiefern und sah eine Staubwolke im Westen, wo sich die Sonne langsam den Gipfeln der Berge näherte. Es dauerte nicht lange, und die Pferde und Krieger waren deutlich zu erkennen. Die Rebellen kamen nur langsam voran, denn sie hatten Ochsenkarren mit Beute bei sich.
Ein Fehler , dachte Gawen. Eine der größten Stärken der Stämme ist ihre Beweglichkeit .
Aber es waren mehr Krieger, als er sich vorgestellt hatte. Es mußten mehrere tausend sein. Unruhig blickte er nach Süden, wo die Legion in Bereitschaft stehen sollte, und überdachte noch einmal die Entfernung und die Dauer bis zum Aufeinandertreffen der beiden Heere.
»Wir warten, bis der Haupttrupp der Feinde vorüber ist, bevor wir das Feuer anzünden.«
»Und was dann?« fragte Arius. »Wenn wir von unseren Leuten abgeschnitten werden, verpassen wir den ganzen Spaß.«
»Wenn wir warten, wird der Kampf zu uns kommen«, erwiderte Gawen und wußte nicht, ob er hoffen oder fürchten sollte, daß sich seine Prophezeiung bewahrheiten würde. Der Augenblick der Gefahr war die kurze Zeitspanne zwischen dem Entzünden des Signalfeuers und dem Auftauchen der römischen Streitmacht ... , falls die Legion bereits ihre Stellung bezogen hatte und das Signal überhaupt sah.
Der Feind befand sich inzwischen fast direkt unter ihnen. Ihrer Aufmachung nach waren es Briganten, obwohl Gawen auch einige der wilden Krieger aus dem Norden unter ihnen entdeckte. Arius wartete ungeduldig darauf, etwas tun zu können. Gawen runzelte die Stirn und griff nach dem Feuerstein. Es dauerte eine
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