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Die Herrin von Avalon

Die Herrin von Avalon

Titel: Die Herrin von Avalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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und das Herz wieder langsamer schlug. Schließlich lockerten sich auch die angespannten Muskeln.
    Bin ich noch Priesterin? Was ist aus meinem Glauben geworden?
    Caillean mußte unwillkürlich lächeln. Sie tadelte sich so streng, als sei sie einer ihrer Zöglinge.
    Kann ich denn nicht darauf vertrauen, daß sich die Göttin IHRER Schützlinge annehmen wird?
    Dieser Gedanke verschaffte ihr Erleichterung, obwohl Caillean aus Erfahrung wußte, daß die Göttin im allgemeinen denen half, die zuerst versuchten, sich selbst zu helfen. Sie richtete sich auf und nickte. Gewiß, sie hatte die Aufgabe, eine Nachfolgerin zu finden. Ohne Gawen würde die Linie des heiligen Blutes aussterben, für deren Fortbestand Eilan ihr Leben geopfert hatte. Ein Grund mehr, auf Avalon das geheime Wissen und die alte Lehre zu erhalten.
    Sianna ...
    Die Tochter der Fee war zur Priesterin geweiht worden, aber an Beltane war sie plötzlich krank geworden und konnte nicht zu den Feuern gehen.
    In diesem Jahr lasse ich keine Entschuldigungen gelten. Ich werde darauf bestehen, daß sie sich dem Gott weiht .
    Jemand klopfte an die Tür, und Caillean stand von ihrem Lager auf. Die Kälte ließ sie frösteln.
    »Herrin!« rief die junge Lunet aufgeregt. »Das Boot nähert sich der Anlegestelle. Ein Fremder sitzt darin. Er sieht wie Gawen aus! Herrin, du mußt ihn begrüßen!«
    Als die Hohepriesterin kurz darauf ihr Haus verließ, schien die Luft, die ihr beim Aufstehen so kalt vorgekommen war, belebend wie Wein zu sein.
    Sie eilte dem Fremden entgegen. Lunet und die anderen Priesterinnen blieben verwirrt zurück, als der Mann durch das große Tor kam. Es gab keinen Zweifel, es war Gawen. Sie starrten ihn sprachlos an, als sei er von den Toten auferstanden.
    Caillean blieb wie angewurzelt mitten auf dem Weg stehen. Gawen hatte sich verändert. Er war größer und schlanker, sein Körper wirkte muskulös und sehnig. Das scharf geschnittene Gesicht war von den schweren Erfahrungen gezeichnet, die er hinter sich hatte.
    Er sah sich verwundert um, als sei er gerade aus einem langen Traum erwacht. Die jungen Priesterinnen hinter Caillean begannen schließlich verlegen zu kichern, und sie fand die Sprache wieder. »Ihr dummen Gänse, wir haben heute nicht Samhain, und das ist kein Gespenst, sondern Gawen. Steht nicht untätig herum, bringt ihm etwas Heißes zu trinken und entzündet das Feuer in der Halle!« Dann ging sie lächelnd auf ihn zu und sagte leise: »Sei willkommen, Gawen.«
    »Was ist geschehen?« fragte er sie mit gerunzelter Stirn. »Überall soviel Wasser, aber es hat nicht geregnet. Wie ist es möglich, daß an den Zweigen die Knospen zu blühen anfangen, obwohl sie gerade erst die Blätter verloren haben.«
    »Heute ist die Tagundnachtgleiche«, erwiderte Caillean. Sie verstand seine Frage nicht.
    Er nickte. »Die Schlacht fand einen halben Mond vor der Tagundnachtgleiche statt. Dann bin ich ein paar Tage durch das Land geirrt ... «
    »Gawen«, unterbrach sie ihn, »die große Schlacht im Norden fand im letzten Herbst statt. Das war vor einem halben Jahr!«
    Er schwankte, und sie stützte ihn. »Sechs Monde sind vergangen? Aber es ist doch erst sechs Tage her, daß die Fee mich gerettet hat ... «
    Caillean begriff allmählich, was geschehen war, und nickte langsam. »In der anderen Welt vergeht die Zeit nicht wie bei uns. Wir wußten, daß du in Gefahr warst, aber niemand hat uns gesagt, was aus dir geworden ist. Wie ich sehe, müssen wir der Fee dankbar sein, daß sie dich gerettet hat.« Sie drückte ihn erleichtert an sich und gab ihm den formellen Begrüßungskuß auf die Stirn.
    »Du hast nichts verpaßt, mein Sohn«, sagte sie dann. »Wir hatten einen schweren Winter. Aber jetzt bist du wieder zu Hause, und wir müssen entscheiden, was aus dir werden soll!«
    Gawen seufzte leicht benommen, aber dann lächelte auch er. »Zu Hause ... Erst nach dem Kampf wurde mir bewußt, daß ich weder bei den Römern noch bei den Britonen zu Hause bin. Nur hier auf dieser Insel fühle ich mich geborgen, weil sie etwas außerhalb von der Welt der Menschen liegt.«
    »Ich werde dich nicht zu einer Entscheidung zwingen«, sagte Caillean leise, aber ihr Herz klopfte bei seinen Worten vor Freude schneller. Er konnte ein würdiger Führer der Druiden werden! »Wenn du dich nicht durch ein anderes Gelübde gebunden hast, dann steht dir der Weg noch immer offen, den du hier einschlagen wolltest.«
    »Eine Woche nach der Schlacht hätte ich dem Kaiser

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