Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Herrin von Avalon

Die Herrin von Avalon

Titel: Die Herrin von Avalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
Vom Netzwerk:
Hafen erreichen.
    Was mochte das für eine Erscheinung sein, die der Proreta gesehen hatte?
    Carausius spähte in die Dunkelheit, und dann sah er sie. War es wirklich eine weiße Frauengestalt oder nur ein Mondstrahl?
    »Herr!« Jemand kam schwankend über das Deck und auf ihn zu. Es war Pausarius. Er hielt den Hammer, mit dem er den Takt schlug, noch immer in den Hand. »Sechs Ruder sind verloren, und zwei Männer haben sich die Arme gebrochen.«
    Die allgemeine Verzweiflung wuchs. Die Besatzung geriet in Panik. »Die Götter haben uns verlassen!«
    »Nein, sie haben uns einen Boten geschickt!«
    »Ruhe!« Carausius verschaffte sich mit lauter Stimme Gehör und sah mit zusammengekniffenen Augen den Triarchen an. Er, Carausius, war der Befehlshaber des Geschwaders, wenn eines der Schiffe den Sturm überleben sollte, aber die Hercules stand unter dem Kommando von Aelius.
    »Triarch!« rief er etwas leiser. »Die Ruder sind bei dieser hohen See nutzlos. Wir werden die Männer brauchen, um das Schiff auf Kurs zu bringen, wenn der Wind nachläßt!«
    Aelius fuhr sich verwirrt mit der Hand über das Gesicht, aber dann schien er Carausius zu verstehen und gab endlich den Befehl, auf den alle warteten. »Der Proreta soll die Männer, die ihre Ruder verloren haben, nach steuerbord schicken, damit wir das Gewicht ausgleichen!« Er legte die Hände trichterförmig an den Mund und rief: »Zieht die Ruder ein!«
    Carausius blickte bereits wieder aufs Meer und sah deutlich auf den Wellen eine in weiße Gewänder gehüllte Frau. Sie näherte sich gleichsam schwebend dem Schiff. Sie hatte die besorgten Augen fest auf ihn gerichtet. Ihre Anteilnahme galt unverkennbar ihm. Als sich ihre Blicke begegneten, schien für Carausius die Zeit plötzlich stillzustehen. Der Sturm war in weite Ferne gerückt. Sie hob in der plötzlichen Stille seines Herzens den Arm und wies nach Westen. Eine hohe Welle türmte sich auf und rollte durch sie hindurch. Dann war die Frau verschwunden, und die Gegenwart ging weiter.
    Carausius blinzelte und schüttelte etwas benommen den Kopf. Was war mit ihm geschehen? Er wußte keine Antwort auf diese Frage, aber die Frau in Weiß war bestimmt nicht gekommen, um ihn ins Unheil zu stürzen. Er spürte eine wohltuende Wärme in der Brust und schlug die Hände vors Gesicht.
    Es gibt Augenblicke im Leben, da muß man alles auf eine einzige Karte setzen .
    Carausius richtete sich entschlossen auf. »Triarch, sag dem Steuermann, wir ändern den Kurs nach backbord, bis wir vor dem Wind liegen!«
    »Aber dann zerschellen wir an den Klippen, Herr ... «, gab der Triarch zu bedenken.
    »Vielleicht, aber ich glaube, wir sind schon so weit westlich, daß wir die Klippen hinter uns gelassen haben. Es ist besser, auf Grund zu laufen, als von der nächsten Welle in die Tiefe gerissen zu werden.«
    Carausius war an den Sandbänken der Rheinmündung aufgewachsen. Die Vorstellung, im seichten Gewässer auf Grund zu laufen, erschien ihm sehr viel angenehmer als das offene, tobende Meer.
    Das Schiff unter ihm rollte und ächzte, aber der Kurswechsel brachte mehr Berechenbarkeit in die Bewegung. Mit dem Wind im Rücken kamen sie schneller vorwärts. Aber jedesmal, wenn der Bug nach unten sank, befürchtete Carausius, sie würden sinken. Doch bevor die Gischt der nächsten Welle über die Galionsfigur und den alten Bronzewidder klatschte, richtete sich das Schiff knarrend und ächzend wieder auf.
    »Etwas weiter nach steuerbord!« rief er dem Steuermann zu. Nur die Götter mochten wissen, wo sie sich befanden. Als sich kurz darauf der Mond zeigte, gelang es Carausius, die Orientierung wiederzufinden. Er zweifelte nicht daran, daß sie in Kürze die britische Küste erreichen würden, falls ihn die Frau in Weiß nicht ins Verderben führen wollte.
    Das Schiff beruhigte sich noch mehr, als sie die Wellenkämme im rechten Winkel schnitten. Nur hin und wieder traf sie das aufgepeitschte Meer von der Seite und überflutete das Deck. Die gesamte Besatzung schöpfte Wasser. Die Gefahr war noch nicht gebannt. Die Hercules würde die Kraft ihres Namensträgers brauchen, um bis zum Tagesanbruch dem tödlichen Spiel der Wellen zu trotzen.
    Carausius war jedoch von einer unerschütterlichen Zuversicht erfüllt. In seiner Kindheit hatte eine der alten Frauen seines Volkes die heiligen Stäbe nach seiner Zukunft befragt. Die Frau hatte ihm ein außergewöhnliches Schicksal vorausgesagt. Als Navarch eines Geschwaders schien er bereits viel erreicht

Weitere Kostenlose Bücher