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Die Herrin von Avalon

Die Herrin von Avalon

Titel: Die Herrin von Avalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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zu haben, denn er war ein unbekannter junger Mann aus dem kleinen germanischen Stamm der Menapier. Wenn er mit Hilfe der Frau in Weiß diesen Sturm überleben würde, dann schien die Prophezeiung vielleicht auf andere Aufstiegsmöglichkeiten hinzuweisen. Männer von noch geringerer Herkunft hatten es bis zum kaiserlichen Purpur gebracht - allerdings nicht als Befehlshaber auf See.
    Der Navarch schloß die Augen und dachte an die Frau in Weiß. Wer bist du? Was willst du von mir?
    Aber die geheimnisvolle Erscheinung war spurlos verschwunden. Als er die Augen aufschlug, sah er nur die Schaumkronen der Wellen, die sich beruhigten, als der Sturm endlich nachließ.

    Kurz nach Tagesanbruch kam Dierna wieder zu Bewußtsein. Der Mond war untergegangen. Aus Südosten trieben dicke, dunkle Wolken heran und verdeckten die Sterne.
    Das Unwetter!
    Sie konnte sich wieder erinnern. Der Sturm war Wirklichkeit und würde jetzt über das Land jagen. Ein feuchter Wind fuhr ihr in die Haare. Die vom langen Liegen steifen Muskeln schmerzten. Dierna überlief ein Schauer. Ihr war kalt. Sie kam sich sehr allein vor und sehnte sich nach einem Menschen. Aber bevor sie mit jemandem reden würde, mußte sie die Bilder der Visionen überdenken, damit ihr bei den kommenden Entscheidungen keine Fehler unterliefen.
    Sie erinnerte sich sehr genau an die Verwandlung der Sterne. Von der letzten Phase waren ihr jedoch nur noch Bruchstücke gegenwärtig - sie hatte ein Schiff gesehen, es wurde auf dem sturmgepeitschten Meer hin und her geworfen. Dann war da ein Mann gewesen. Sie hatte Mitleid mit ihm und fühlte sich mit ihm verbunden ...
    Dierna blickte in Richtung des heranziehenden Unwetters und hob langsam die Hände. »Göttin, gewähre ihm Schutz, wer auch immer er sein mag!« flüsterte sie.

    Die Sonne über dem Kanal zeigte sich hin und wieder hinter den Wolken. Braune Pfützen bedeckten das Land. Die grauen Wellen auf dem Meer hatten Schaumkronen. Ein Fischerjunge aus Clausentum suchte Treibholz am Strand. Plötzlich richtete er sich auf und blickte verblüfft an der dunklen Küste der Insel Vectis vorbei auf das offene Meer. »Ein Schiff!«
    Andere nahmen seinen Ruf auf. Die Menschen liefen zusammen und deuteten auf die Wellen, wo langsam die Segel eines Schiffs immer größer wurden.
    An Land war noch am Morgen die Kraft des nächtlichen Unwetters zu spüren. Alle, die das Schiff in den Wellen sahen, fragten sich, wie es den Sturm überstanden haben konnte.
    »Ein Dreimaster!« rief einer.
    »Der Navarch ist an Bord!« rief ein anderer, als ein Wimpel am Mast aufgezogen wurde.
    »Bei Amphitrite, das ist die Hercules !« erklärte aufgeregt ein Kaufmann. Der große dicke Mann ließ niemanden vergessen, daß er zwanzig Jahre bei der Marine gedient hatte. »Ich war in den letzten beiden Jahren vor Ende meiner Dienstzeit ihr Steuermann. Damals waren wir in Dubris stationiert. Carausius muß an Bord sein!«
    »Ist das der Mann, der vor kurzem zwei Piratenschiffe gekapert hat?«
    »Er bewacht unser Geld, als sei es sein eigenes! Ich gelobe, Neptun ein Lamm zu opfern, der ihn in dieser Nacht gerettet hat«, sagte der Kaufmann. »Wenn er nicht überlebt hätte, wäre das für uns ein schwerer Verlust gewesen!«
    Der Dreimaster segelte um die Insel Vectis herum in die Flußmündung und näherte sich dem Hafen von Clausentum.
    Fischer und Kaufleute eilten ans Ufer, und auch die Bewohner des Dorfes, die durch das Geschrei aufmerksam gemacht worden waren, liefen herbei.
    Die Hercules lag beinahe eine Woche im Hafen, während die Zimmerleute alles taten, um die Sturmschäden zu beseitigen. Clausentum wurde von vielen Handelsschiffen angelaufen. Die Handwerker besaßen vielleicht nicht das Können der Flottenarbeiter, doch sie gaben sich große Mühe und leisteten gute Arbeit.
    Carausius nutzte die Gelegenheit und verhandelte mit dem Magistrat und redete auch mit den Kaufleuten, deren Schiffe gerade vor Anker lagen, um das Verhalten der Seeräuber besser verstehen zu können. Alle stellten jedoch zu ihrer Verwunderung fest, daß Carausius oft allein am Ufer entlangging. Aber niemand wagte ihn zu fragen, weshalb er dabei ein so ernstes Gesicht machte.
    Kurz vor der Sommersonnwende stach Carausius mit der instand gesetzten Hercules wieder in See. Sein Ziel war Gesoriacum.
    Diesmal blieb das Meer ruhig und spiegelglatt.

    Das Ritual zur Sommersonnwende war uralt. Es gehörte zu dem Wissen jener Vorzeit, das die Druiden von den Priestern übernommen hatten,

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