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Die Herrin von Avalon

Die Herrin von Avalon

Titel: Die Herrin von Avalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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konnte.
    Die Menschen im Sommerland nickten und versicherten sich gegenseitig, sie seien in den Marschen sicher. Aber in einem so trockenen Jahr wie diesem war selbst das Gras der tiefer gelegenen Wiesen gemäht und zu Heu gemacht worden. Ein leuchtend grüner Teppich bedeckte Stellen, die meist unter Wasser standen.
    Viviane beachtete das alles kaum. Was immer die Barbaren auch zerstörten, sie würden mit Sicherheit nicht nach Avalon kommen.
    Sie war nicht einmal beunruhigt, als die Schwangerschaft ihrer Mutter deutlich sichtbar wurde, denn Taliesin hatte Wort gehalten. Sie verfolgte jetzt ihre eigenen Ziele. Zusammen mit den anderen Novizinnen hatte sie gelernt, was die Überlieferungen von den vier Schätzen berichteten. Sie stellte zu ihrer Zufriedenheit fest, daß sie bereits ein sehr viel größeres Wissen besaß, als die meisten jemals haben würden. Mehr brauchte sie nicht zu wissen. Der Umgang mit den heiligen Dingen verlangte nicht die Weisheit des Verstandes, sondern des Herzens. Um Hüterin des Grals zu werden, mußte sie sich selbst verwandeln.
    Die Ausbildung war auf ihre Weise ebenso anstrengend wie das Novizentum, doch sehr viel zielgerichteter. Viviane badete jeden Tag im Wasser der heiligen Quelle. Das Wasser war schon immer das Getränk der Priesterinnen, aber ihre Ernährung hatte sie umgestellt. Sie aß nur noch Obst, Gemüse und ein wenig Getreide - nicht einmal Milch oder Käse. Sie nahm ab und hatte manchmal Schwindelgefühle. Sie ging ihren Pflichten nach, als bewege sie sich unter Wasser. Und in dem neuen schimmernden Licht ihres sich verändernden Bewußtseins wurden alle Dinge transparent. Sie sah immer deutlicher den Bereich zwischen den Welten.
    Im Laufe der Ausbildung begriff Viviane, weshalb es ein Problem war, eine Jungfrau für diese Aufgabe zu finden. Ein Mädchen war weder körperlich noch geistig stark genug, und eine junge Frau ihres Alters wäre normalerweise bereits zur Priesterin geweiht worden. Danach hätte sie von ihrem Recht Gebrauch gemacht, zu den Beltanefeuern zu gehen. Es mißfiel ihr keineswegs, daß die jüngeren Novizinnen, die sich bereits gefragt hatten, was sie sich hatte zuschulden kommen lassen, weil sich ihre Einweihung so lange hinauszögerte, sie nun mit einer gewissen Ehrfurcht betrachteten.
    Viviane war von heiterer Gelassenheit. Insgeheim war sie stolz über ihre Jungfräulichkeit, während sie beobachtete, wie die Schwangerschaft den Körper ihrer Mutter unförmig werden ließ.
    Sie wußte, der Gral hatte wie die Göttin viele Erscheinungsformen. Für Viviane stand fest, daß sich in der Obhut der Druiden die wichtigste befand: das strahlende Gefäß unbefleckter Reinheit.
    Am Abend der herbstlichen Tagundnachtgleiche, als die Erde auf der Schwelle zwischen Sonne und Dunkelheit stand, kamen die Druiden, um Viviane abzuholen. Sie kleideten sie in ein Gewand, das noch weißer war als ihre eigenen Gewänder, und geleiteten sie in einem stummen Zug in einen unterirdischen Raum. Dort lag auf einem Steinaltar ein Schwert, dessen Lederscheide vom Alter brüchig war. An der Wand lehnte ein Speer. Daneben befanden sich zwei Nischen. In der unteren stand auf einem weißen Tuch ein großer Teller. In der oberen ...
    Viviane stockte der Atem, als sie zum ersten Mal den Gral erblickte. Sie hatte keine Ahnung, wie er für das Auge eines Uneingeweihten ausgesehen hätte. Vielleicht wäre er ein Tonbecher gewesen oder ein silberner Kelch, möglicherweise eine Glasschale mit einem Mosaik schimmernder Bernsteinblüten. Viviane sah ein Gefäß, das so klar war, daß es nicht aus Kristall zu sein schien, sondern aus Wasser, das die Form einer Schale angenommen hatte. Sie glaubte, ihre Finger würden bestimmt hindurchgreifen. Die Druiden sagten ihr, sie müsse den Gral aus der Nische nehmen.
    Beim Näherkommen spürte sie zuerst einen Druck und dann eine Strömung, gegen die sie sich stemmte, als wate sie durch einen Fluß. Vielleicht, so dachte sie unbestimmt, war es aber auch eine Schwingung. Sie hörte ein wundersames Tönen. Es schien zuerst leise zu sein, wurde aber bald lauter als jedes vorstellbare Geräusch. Als sie vor dem Gral stand, fragte sie sich, ob die Schwingungen sie nicht in Mark und Bein auflösen würden.
    Der Gedanke machte ihr angst. Sie blickte verunsichert zurück. Die Druiden sahen sie erwartungsvoll an und bedeuteten ihr stumm, den Gral in beide Hände zu nehmen. Ob Wahrheit oder Einbildung, soviel wußte Viviane, es würde ihren Tod bedeuten, wenn

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