Die Herrin von Rosecliffe
kicherte, erfreut über das Kompliment und selig über seine Prophezeiung, dass sie in ihre Burg zurückkehren würde. »Selbstverständlich wird deine Tilly in Rosecliffe ein Zuhause haben«, versicherte sie, runzelte dann aber die Stirn. »Aber was ist mit Rhys?«
Newlin stieß einen schweren Seufzer aus. »Manche Dinge kann ich klar erkennen, Josselyn, andere jedoch nicht. Rhys hat seinen eigenen Willen, und ich kann seine Entscheidungen weder beeinflussen noch vorhersagen. Wir müssen abwarten ... «
»Aber er wird Isolde nichts zuleide tun«, murmelte Josselyn, während Newlin zur Tür humpelte. »Er wird ihr nichts zuleide tun«, wiederholte sie wie ein Gebet nachdem ihr alter Freund gegangen war. Dieses Wissen genügte ihr vorerst. Jetzt konnte sie ihre ganze Energie darauf verwenden, Rand und Jasper zu überzeugen, dass es keine Feigheit, sondern ein kluger strategischer Schachzug wäre, nicht gegen Rhys zu kämpfen. Keine leichte Aufgabe, das wusste sie, denn die beiden Brüder waren zornig und ungeduldig. Sie würde sie irgendwie ablenken müssen.
Der Wind rüttelte an Türen und Fenstern, Donner grollte in der Ferne, und ein neuer Wolkenbruch ging auf die stabilen Strohdächer nieder. Wahrlich kein geeignetes Wetter, um sich im Freien aufzuhalten, dachte Josselyn. Am besten verkroch man sich im Bett!
Ein schelmisches Lächeln huschte plötzlich über ihr. Gesicht. Ein Tag im Bett - das wäre eine ideale Möglichkeit Rand abzulenken. Und Rhonwen könnte Jasper mit Sicherheit auf die gleiche Weise ablenken...,
Josselyn legte ein paar Holzscheite ins Feuer und ging dann beschwingt die Treppe hinauf, sehr angetan von ihrem Einfall. Zuerst würde sie sich mit Rhonwen absprechen und dann ihrem hinreißenden dickschädeligen Ehemann etwas Unterricht in strategischer Kriegsführung geben ...
Rhys lief nervös auf dem Wehrgang hin und her, ballte die Fäuste und fluchte laut. Wo blieben sie nur? Verdammt wo blieben sie?
Mit gerunzelter Sti rn starrte er auf das Dorf unterhalb der Burgmauern hinab. Obwohl es aufgehört hatte zu regnen, war seltsamerweise niemand auf den Straßen zu sehen. Dabei müssten die Leute doch eigentlich froh sein, nach den Unwettern der vergangenen Tage endlich wieder einen Fuß vor die Tür setzen zu können. Aber nein, wenn nicht Rauch aus de Schornsteinen aufgestiegen wäre, hätte man glauben können, der Ort wäre ausgestorben.
Rhys blieb stehen und beugte sich zwischen zwei Zinnen weit über die Mauer. »Zeigt euch, ihr elenden Feiglinge!«, murmelte er wütend.
Aus dem Augenwinkel sah er Linus auf dem Wachturm kauern. Der Riese war wie alle anderen kampffähigen Männer in Alarmbereitschaft. Sie hatten sich auf Rhys' Befehl hin wie für eine Schlacht gekleidet und mit ihren Waffen gegürtet. Obwohl es sich zunächst nur um ein Duell zwischen Rhys und Jasper handeln würde - um die gerechte Rache eines Sohnes am Mörder seines Vaters -, war jedem klar, dass es letztlich auch um den Besitz von Rosecliffe Castle ging. Rhys hoffte für den Fall seines Todes, dass Glyn und die anderen Waliser erbittert um die Burg kämpfen würden, die auf ihrem Land erbaut worden war und ihnen deshalb von Rechts wegen gehörte.
Wie würde Isolde wohl auf seinen Tod reagieren?
Rhys schloss die Augen und versuchte nicht an sie zu denken. Es war tödlich, bei einem Kampf an Frauen zu denken. Er selbst hatte diesen Fehler nie gemacht - und würde ihn auch jetzt nicht begehen, schwor er sich. Doch die Erinnerungen an Isolde ließen sich einfach nicht verdrängen. Sein Geist und sein Körper waren gleichermaßen mit ihnen angefüllt ...
Sie war gestern und heute Morgen unglaublich freundlich und aufmerksam zu ihm gewesen, hatte zweimal seine Verbände gewechselt und Heilsalbe auf die Wunden gestrichen. Beim Abendessen hatten sie sich angeregt unterhalten - über Musik, Malerei, Bildhauerei und alle möglichen anderen Dinge -, nur nicht über das Thema, um das ihrer beider Gedanken unablässig kreisten. Auf Isoldes Drängen hatte er ihr die Stadt York, die große Festung von Richmond und die Abtei Whitby an der Nordsee beschrieben. Er hatte ihr erklärt wie der schottische Dudelsack funktionierte, und sie hatte von ihrem starken Bedürfnis, Kunstwerke zu schaffen, gesprochen. Später hatte Isolde sogar auf seiner Laute gespielt. Wenn sie fleißig übte, würde sie das Instrument bald meisterhaft beherrschen.
Doch keiner von ihnen hatte Politik oder Familienfehden erwähnt.
Heute hatte. sie
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