Die Herrin von Rosecliffe
seine Freunde, sondern Isolde an. »Ihr wollt also, dass ich Euch Unterricht gebe?«
Sie nickte eifrig. »ja ... Natürlich gegen Bezahlung.«
Auch er nickte. »Einverstanden. Wir können gleich anfangen.«
»Jetzt?« Isolde glaubte Schmetterlinge im Bauch zu haben. »ja, gern ... Obwohl es schon ziemlich spät ist ... «
»Nur ein paar Minuten, um Euch zu zeigen, wie man das Instrument halten muss. Tagsüber herrscht in dieser Halle bestimmt ein geschäftiges Treiben, und Musikunterricht erfordert viel Konzentration.« An seine Kameraden gewandt fügte er hinzu: »Geht zu Bett ich komme später nach.«
Wie ein Lord, der seine Untertanen entlässt, dachte Isolde. Sein Ton war nicht unfreundlich, aber er strahlte eine Autorität aus, die nicht zu einem fahrenden Sänger passte.
»Gute Nacht«, murmelte Tillo und humpelte gehorsam auf die Tür zu.
»Gute Nacht«, riefen der Zwerg und. der Riese wie aus einem Munde, bevor sie dem alten Mann folgten.
Nur Cidu blieb zurück. Das Hündchen beobachtete Isolde, so als wollte es fragen: Was hast du mit meinem Herrn vor?
Das wusste sie selbst nicht.
Reevius nahm seine Laute zur Hand und strich über die Saiten. »Womit sollen wir beginnen?«, sang er leise vor sich hin. »Wir brauchen einen Stuhl ... und einen zweiten für das schöne Burgfräulein.«
Isolde lächelte. »Zwei Stühle? Eine Bank ist praktischer, finde ich.« Sie führte ihn zu einer Bank am Kamin und setzte sich. Ohne auf eine Einladung zu warten, nahm er neben ihr Platz. Dicht neben ihr.
»Wo hast du so gut Laute spielen gele rn t?«, fragte sie, um ihre Nervosität zu kaschieren.
Reevius zuckte mit den breiten Schultern. Art einem vornehmen Haus, wo ich viele Jahre beschäftigt war.«
»Und seitdem bist du immer Spielmann gewesen?«
»Nein.«
Die einsilbige Antwort klang so barsch, dass sie ihn erstaunt ansah und das Gefühl hatte, er wolle sie absichtlich provozieren, als er fortfuhr: »Jetzt bin ich ein Spielmann, und mehr braucht Ihr nicht zu wissen. Ihr scheint es mir gleichtun zu wollen. Ist es denn so schlimm, Herrin einer großen Burg zu sein, dass Ihr ein Leben in den Wäldern vorziehen würdet und bereit wärt, Euren Lebensunterhalt mühsam mit einer Harfe, Laute oder Flöte zu verdienen?«
»Nein, keineswegs. Kann eine Frau nicht nur zu ihrem eigenen Vergnügen und dem ihrer Familie Musik machen wollen?«
»Doch ...« Ihre Blicke trafen sich. Das Licht einer Fackel spiegelte sich in seinen unergründlichen schwarzen Augen. Er war ihr so nahe, dass sein, warmer Atem ihre Wange streifte. Ihr wurde abwechselnd heiß und kalt ...
»Hier.« Reevius übergab ihr seine Laute. »Schiebt sie unter Euren rechten Arm und legt die linke Hand auf die Griffsaiten. «
Isolde tat, wie ihr geheißen wurde, zupfte an den fünf Saiten und freute sich über die harmonischen Klänge.
»Wenn Ihr mit den Fingern kräftig auf den Hals drückt, könnt Ihr die Saiten verkürzen und auf diese Weise verschiedene Töne erzeugen. So ...« Er legte einen Arm um ihre Schultern und seine linke Hand auf ihre. Seine Berührung löste eine Hitzewelle aus, die ihren Körper überflutete. Isoldes Herz schlug immer schneller.
Reevius brachte ihre Finger in die richtige Stellung. »Fest drücken«, murmelte er dicht an ihrem Ohr. Dann griff er nach ihrer anderen Hand und führte sie über die Saiten. »Und so entsteht eine Melodie ... «
Was er spielte, war ein altes walisisches Wiegenlied.
»Schlaf süß, hab schöne Träume ... «, sang Isolde leise auf Walisisch.
Rhys' Finger erstarrten auf den Saiten. Er hatte nicht erwartet dass die Tochter seines Feindes dieses Lied kennen würde, aber das war natürlich töricht gewesen. Schließlich hatte sie eine walisische Mutter, die sie wahrscheinlich oft in den Schlaf gesungen hatte. Vermutlich sprach Isolde Fitz Hugh auch genauso gut Walisisch wie er selbst - doch das machte sie noch lange nicht zu einer Waliserin!
Er ließ ihre Hände los und rückte ein wenig von ihr ab. »Das reicht für heute.«
Als hätte sie seine Worte nicht gehört zupfte sie weiter an dem Instrument herum, versuchte sich an einfachen Akkorden und schien seine Gegenwart völlig vergessen zu haben.
Umso mehr war Rhys sich ihrer Nähe bewusst. Wider Willen bewunderte er die anmutige Gestalt die seidig glänzenden langen Zöpfe, den weichen Flaum am zarten Nacken. Ihre Haut duftete schwach nach Lavendel, sie war jung und sehr reizvoll. Kein Wunder, dass er sich körperlich zu ihr hingezogen
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