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Die Herrin von Rosecliffe

Die Herrin von Rosecliffe

Titel: Die Herrin von Rosecliffe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rexanne Becnel
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gehütet und daran sollte sich auch in Zukunft nichts ändern.
    Aber er zweifelte im Grunde nicht daran, dass Newlin ihn durchschaut hatte. Über Jahre hinweg hatte Tilly sich zum Schutz als Tillo ausgegeben. Würde der Barde sie verraten? Würde er ihren Schwindel auffliegen lassen?
    Und wenn er das tat - welches Schicksal würde ihr dann beschieden sein?
     

Kapitel 16
     
    Drei Tage gingen ins Land. Der Winter hielt plötzlich Einzug. Das Wandgemälde machte große Fortschritte. Zwischen Rhys und Isolde herrschte weiterhin eine spannungsgeladene Atmosphäre.
    Ein gnadenloser Sturm suchte Nordwales heim, hüllte alles in eine dicke Schneedecke ein, trieb Menschen und Tiere in ihre Behausungen, die etwas Schutz vor der eisigen Kälte boten.
    Isolde stand im Schlafzimmer ihrer Eltern vor dem fast vollendeten Wandgemälde, das sie geschaffen hatte. Die grellen Farben - Blutrot Gelb, Violett und Blau - betonten, dass hier ein Kampf auf Leben und Tod ausgetragen wurde. War dieses monumentale Bild ihr so gut gelungen, weil in ihrem Innern ein ähnlich heftiger Kampf tobte? Es ärgerte sie maßlos, dass Rhys, der ihre Arbeit jeden Abend in höchsten Tönen lobte, Recht behalten hatte, aber die Wahrheit ließ sich nicht leugnen: dies war mit Abstand ihr bisher bestes Werk, weil sie widerstreitende leidenschaftliche Gefühle künstlerisch abreagiert hatte.
    Der riesige blau-schwarze Drache mit glühenden Nüstern und Funken sprühenden Augen hätte eigentlich abstoßend hässlich wirken sollen -- doch in Wirklichkeit sah er majestätisch aus.
    Isolde trat einige Schritte zurück und fuhr sich mit dem Handrücken über die Stirn. Wenn der Drache so majestätisch geworden war, so nur deshalb, weil er Wales symbolisierte, redete sie sich ein. Schließlich hatte sie mütterlicherseits walisisches Blut in den Adern. Aber der Drache durfte den Wolf - das Wappentier ihres englischen Vaters - natürlich trotzdem nicht endgültig besiegen. Ihre Mutter Josselyn hatte Randulf Fitz Hugh ja auch nicht besiegt genauso wenig wie er seine walisische Frau in die Knie gezwungen hatte. Sie hatten anfangs harte Kämpfe ausgefochten - Isolde kannte zwar viele Geschichten über jene schwierigen ersten Jahre -, doch ihre gegenseitige Liebe war so stark gewesen, dass sie alle Hindernisse überwanden, heirateten und mit vereinten Kräften für ein friedliches Zusammenleben von Engländern und Walisern sorgten.
    Von Zeit zu Zeit gab es immer noch hitzige Wortgefechte zwischen Rand und Josselyn, aber sie endeten stets versöhnlich. Auf Isoldes Bild tobte noch ein erbitterter Kampf, und der Wolf lag dem Drachen zwar zu Füßen, wie Rhys es verlangt hatte - aber er bleckte seine gefährlichen Reißzähne und schlug mit seinen scharfen Krallen nach dem Gegner.
    Isolde hätte beim besten Willen nicht erklären können, weshalb sie solche Mühe auf ein Werk verwandte, das sie bald vernichten wollte. jeden Tag fügte sie irgendwelche Details hinzu: einen schroffen Felsen, der mit wilden Rosen bewachsen war; eine Burg im Nebel; Menschen, die den Kampf aus der Ferne ängstlich verfolgten ... Immer wieder fiel ihr etwas Neues ein, und Rhys ließ sie gewähren. Es störte ihn offenbar nicht dass sie so viel Zeit in seinem Zimmer verbrachte.
    Zu ihrer grenzenlosen Erleichterung tauchte er nie auf, während sie tagsüber hier malte. Sie verließ den Raum bei Einbruch der Abenddämmerung, und wenn sie ihn später beim Essen bediente, machte er ihr Komplimente über das Bild. Im Großen und Ganzen hätte Isolde relativ zufrieden sein sollen, denn Rhys verzichtete jetzt darauf, 'sie zu provozieren oder zu bedrängen. Trotzdem war sie in seiner Nähe nervös, und nachts wälzte sie sich oft schlaflos von einer Seite auf die andere, besonders wenn aus seinem Zimmer, das direkt unter dem Turmzimmer lag, zu sehr später Stunde gedämpfte Musik erscholl: herrliche Lautenklänge und eine tiefe Männerstimme, die jedoch so leise sang, dass Isolde die Worte nicht verstehen konnte.
    Wenn sie diese Lieder hörte, krampfte ihr Herz sich vor Wehmut und Sehnsucht zusammen, und sie musste sich streng ins Gedächtnis rufen, dass es nicht Reevius war, der so betörend musizierte, sondern ihr Todfeind Rhys. Doch das vermochte ihre nächtlichen Qualen nicht zu lindern ...
    Fast eine Woche war schon vergangen, seit Rhys die Festung erobert hatte. Wahrscheinlich wusste ihr Vater bereits über die Katastrophe Bescheid und bereitete eine schnelle Rückkehr vor. In etwa einer Woche

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