Die Herrin von Rosecliffe
Mann - bin ich in den Augen anderer Männer noch zu etwas nutze«, erklärte sie. »Als alte Frau wäre ich völlig wertlos. Sogar als ich so jung war wie du, konnte ich nicht viel bewirken.« Sie warf Isolde einen traurigen Blick zu. »Du hast doch bestimmt auch schon begriffen, dass Rhys von dir nur das eine will.«
Ein Schauer lief Isolde über den Rücken, und sie kreuzte die Arme schützend vor der Brust. ja, sie wusste, was Rhys von ihr wollte - aber sie hatte nicht die Absicht mit Tillo darüber zu reden. »Ich verstehe immer noch nicht warum du mir dein Geheimnis anvertraut hast«, sagte sie ausweichend. »Wie könnte ich dir helfen?«
Tillo betrachtete jetzt wieder das Wandgemälde. »Ich glaube nicht dass du deinem Geliebten den Tod wünschst.«
»Er ist nicht mein Geliebter!«
»Aber er war es, das wissen wir doch beide«, erwiderte Tillo heftig, bevor sie sanfter fortfuhr: »Ärgere dich nicht über meine ehrlichen Worte, Kind. Auch ich möchte nicht dass er stirbt denn er hat mich stets sehr gut behandelt. Und ich glaube, dass du die Einzige bist die seinen Tod verhindern kann. Du musst fliehen und zu deinem Vater eilen.«
Isolde bekam rasendes Herzklopfen und starrte Tillo mit weit aufgerissenen Augen an. »Heißt das, dass du mir bei der Flucht helfen würdest?« Sie schnappte nach Luft, als Tillo nickte. »Aber warum ... warum solltest du das tun?«
»Ich bin alt und würde meinen Lebensabend gern an einem warmen Ort verbringen.«
»Hast du denn keine Familie? Keine Kinder, die dich bei sich aufnehmen könnten?«
Tillo wurde grau im Gesicht aber ihre Augen sprühten Funken, und sie straffte die schmalen Schultern. »Ich konnte nie Kinder bekommen. Zwei Ehemänner haben mich zum Teufel gejagt weil ich ihnen keine Söhne bescherte. Doch das ist jetzt nicht mehr wichtig ... Jetzt brauche ich nur irgendeinen Platz, wo ich die letzten Lebensjahre friedlich verbringen kann. Nicht hier in Rosecliffe«, fügte sie hastig hinzu. »Vielleicht wird dein Onkel mich bei sich aufnehmen, wenn du ihn darum bittest.«
Isolde schüttelte verständnislos den Kopf. »Warum willst du denn nicht in Rosecliffe bleiben?«
»Dafür habe ich meine guten Gründe«, antwortete Tillo schnippisch. »Entscheide dich, Mädchen - willst du meine Hilfe annehmen und Rhys' Leben retten oder nicht?«
»Warum glaubst du, dass meine Flucht ihm das Leben retten würde?«
»Weil du dich für ihn einsetzen wirst.«
»Aber ich hasse ihn!«
Tillo lächelte zum ersten Mal. »Nein, du hasst ihn nicht. Du bist viel zu jung, um ihn zu hassen, und du stehst lichterloh in Flammen, weil er deine Sinne geweckt hat. Und Rhys ist genauso entflammt wie du. Erst wenn dieses Feuer der Leidenschaft erlischt wirst du begreifen, wie wenig eine Frau einem Mann bedeutet. Dann wirst du ihn vielleicht wirklich hassen. Aber jetzt redest du dir das nur ein.«
Isolde war völlig verwirrt. Ein Teil von ihr. wollte schwören, dass sie Rhys seit Jahren hasste, und ein anderer Teil von ihr wollte die Möglichkeit leugnen, dass sie ihn jemals hassen könnte. »Du irrst dich«, murmelte sie. »Nicht alle Männer sind so, wie du sie beschreibst. Mein Vater hält sehr viel von meiner Mutter - und nicht nur, weil sie ihm Kinder geboren hat. «
Tillo schnaubte. »Ist sie schön? Lockt sie ihn immer noch. in ihr Bett?«
»Sie lieben einander.«
»Wenn das stimmt, sind sie eine seltene Ausnahme. Bitte versteh mich nicht falsch, Kind. Rhys ist kein schlechter Mensch. Im Gegenteil - er gehört zu den Besten seiner Art. Aber er ist nun einmal ein Mann und wird seiner Natur immer treu bleiben. Er kann gar nicht anders.« Nach kurzem Schweigen fügte sie hinzu: »Auch du musst gemäß deiner wahren Natur handeln, Mädchen.«
Isolde sah die viel ältere - und weisere - Frau lange an. »Meine wahre Natur gebietet mir, treu zu meiner Familie zu halten, was auch immer geschehen mag ... «
Tillo verzog ihr runzeliges Gesicht. »Und du glaubst dass ich nicht mehr treu zu meinen Freunden halte? Du, irrst dich, Isolde. Ich will, dass Rhys am Leben bleibt. Nur deshalb werde ich dir bei der Flucht helfen. Er hat einen sehr riskanten Weg eingeschlagen, der ihm am Schluss den Hals brechen wird, dessen bin ich mir sicher. Weder ich noch sonst jemand könnte ihn zu einer Umkehr bewegen. Er rennt unaufhaltsam auf den Abgrund zu ... Ich weiß, dass dein Vater ihn schon einmal begnadigt hat weil dein Onkel Jasper sich für ihn eingesetzt hatte. Randulf Fitz Hugh wird sich bestimmt
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