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Die Herrin von Sainte Claire

Die Herrin von Sainte Claire

Titel: Die Herrin von Sainte Claire Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emily Carmichael
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befahl er. »Ich möchte keine weitere Lüge oder Entschuldigung hören. Die Tat ist verziehen. Alles was ich jetzt will, ist Friede.« Dabei wollte er ihr noch so viel mehr sagen –, daß er sie liebte, trotz allem. Daß er wußte, welche Zuneigung sie für ihn empfand, und daß dies seine Welt vollkommen machte. Doch konnte er sich nicht dazu überwinden, diese Waffe in ihre Frauenhände zu legen.
    Alte Feindseligkeiten vergehen nur langsam. Einige, so vermutete er, vergingen wohl nie.
     
    Der Frühling ging langsam in den Sommer über. Die Wiesen prangten mit bunten Blumen. Die Früchte reiften heran und hingen schwer und süß an den Bäumen. Die ganze Erde erblühte zum Leben. Auch Alaine. Joanna und ihre Familie waren alsbald gekommen, in Begleitung von Hilda und Hadwisa, und es gelang dieser einzigartigen Dame, das Gesinde auf Trab und Burg und Stall in geordneten Zustand zu bringen. Alles klappte jetzt wie am Schnürchen. Bald war Alaine wieder zu Kräften gekommen. Ihre sanften Rundungen hielt sie nicht von ihrem täglichen Ritt ab, um die Getreidefelder zu begutachten, einen Schwatz mit den Dorfbewohnern und Bauern zu halten und auf das Wohlbefinden dieser Menschen zu achten, denen sie sich nun zugehörig fühlte. Manchmal ritt Rorik mit ihr aus. Seine Kräfte kehrten zurück. Die Ringe unter seinen Augen waren verschwunden, und die Blässe wich in der Sonne langsam einer bronzenen Farbe. Seine Stimmung war heiter wie der Sommertag. Brix gehörte ihm. Alaine war sein, und bald wäre der Bestand seiner Familie durch einen Erben gesichert. Rorik war bereit, die Vergangenheit zu vergessen und in die Zukunft zu blicken – doch gab es da noch einen dunklen Punkt.
    Theoda. Roriks Mutter geisterte durch die Burg wie ein scheues Gespenst. Sie kam und ging durch die Gemächer, ein verhärmtes, irrlichterndes Wesen mit strähnigen, grauen Haaren und den unruhigen Augen eines Vogels. Sie hatte Todesangst vor ihrem letzten überlebenden Sohn und huschte wie eine Ratte in ihr Versteck, wann immer sie seine Stimme vernahm. Rorik schenkte ihr keinerlei Beachtung und wandte beim Anblick ihrer hexenartigen Gestalt das Gesicht zur Seite. Doch Alaine empfand Mitleid für sie. Die Dienerschaft erzählte sich, sie habe unter Fulk großes Leid erdulden müssen. Und Sihtric zufolge hatte sie versucht, Phillip davon abzuhalten, Rorik auf unritterliche Weise mit dem Messer anzugreifen. Alaine konnte nicht umhin zu glauben, Theoda habe ihre Söhne geliebt. Ihr verzweifelter Versuch, den Mißhandlungen ihres Mannes zu entkommen, hatte ein tragisches Ende gefunden. All die Jahre lag der Tod ihrer Familie als schwere Last auf ihrer Seele. Kein Wunder, daß diese Frau nun halb dem Wahnsinn verfallen war.
    Doch Rorik weigerte sich, mit dieser ungelösten Frage sich auseinanderzusetzen. Immer wenn er seine Mutter erblickte, stieg der alte Zorn in ihm hoch. Brachte Alaine das Gespräch auf Theoda, wurde seine Miene kalt und abweisend. Die Hündin bekommt ihre Mahlzeiten und einen Platz zum Schlafen, knurrte er. Sie sollte sich glücklich wähnen, nicht seine Hände an ihrer Kehle zu spüren.
    So machte sich Alaine daran, dem Drachen eigenmächtig diesen Dorn zu ziehen. Sie suchte ein wohlhabendes Kloster in Cherbourg aus, in dem Theoda – ausgerüstet mit einer beträchtlichen Geldsumme – untergebracht werden konnte. Die Nonnen waren im Umgang mit gemütskranken Menschen geübt, und Rorik würde der täglichen Belastung entledigt sein, Theoda unter seinen Augen und in aufreizender Nähe seiner Hände zu haben.
    Alaine erklärte Rorik, welche Schritte sie eigenhändig unternommen hatte, was er nur mit dürren Worten zur Kenntnis nahm. Das faßte sie als Zustimmung auf und erteilte der ehemaligen Herrin des Saals eine angemessene Eskorte. Dann verabschiedete sie sich von ihr. Noch ehe sie aufbrach, ergriff Theoda Alaines Hand. Die Augen blickten verständig, wenn auch nur für eine kurze Zeit.
    »Frau meines Sohnes«, flüsterte sie heiser. »Ich bin eine gottlose Frau. Die Hölle hat für mich schon lange begonnen. Meine Söhne verfluchen mich aus ihrem Grab, und der einzige, der am Leben geblieben ist, denkt von mir niemals als seiner Mutter. Doch um seinetwillen bete ich, daß er mir eines Tages verzeihen kann und mich ein wenig verstehen lernt.« Sie schüttelte den Kopf, als wolle sie die Spinnweben des Wahnsinns zerreißen. »Sagt ihm, ich flehe Euch an, ich habe es nie gewollt, daß auch nur einer von ihnen stirbt.«
    Alaine

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