Die Herrin von Sainte Claire
tatsächlich haßte, oder spielte sie nur etwas vor, um ihre wahren Gefühle zu verbergen?
Alaine hatte die Eifersucht, die flüchtig sein Gesicht verdüsterte, mit Ärger verwechselt, und sich empört auf den Fersen umgedreht und gefragt, weshalb Männer denn bloß so haarsträubend dumm waren.
Rorik und die Edelmänner in seiner Begleitung hießen die Braut und ihre Frauenschar vor dem Kirchenportal willkommen. Die edlen Gäste ritten auf anmutigen Zeltern, die man durch ihren mittelgroßen Wuchs und ihr sanftmütiges Wesen für diesen feierlichen Anlaß geeigneter als die feurigen Streitrösser hielt. Allein Rorik saß auf seinem riesigen Streithengst, was Alaine besonders ins Auge fiel. Wollte ihr Bräutigam damit ein Zeichen setzen? Faßte er diese Heirat eher als Krieg denn als Waffenstillstand auf?
Beide Gruppen stiegen von ihren Pferden ab. Rorik hob Alaine von ihrem Reittier hinunter und begleitete sie wortlos zum Kirchenportal, wo Pater Sebastian sie mit einem väterlichen Lächeln empfing. Der Priester schlug das Zeichen des Kreuzes und sprach ein kurzes Gebet. Dann kniete das Paar auf der Steintreppe zur Kirche vor ihm nieder. Vor der versammelten Menschenschar, Bauer wie Edelmann, gaben sie ihr feierliches Versprechen.
Nach einer halben Ewigkeit, hatten sie die Hochzeitsgelübde gesprochen. Mit lauttönender Stimme verkündete nun der Priester den Wert und die Größe der Mitgift, den die Braut mit in die Ehe brachte, und ging dann über, die Mitgift des Bräutigams aufzuzählen. Die Menge gab, wie man es von ihr erwartete, anerkennende Laute über den Reichtum des Paares von sich. Erst dann durften Braut und Bräutigam sich mit schmerzenden Knien erheben. Sie standen kaum auf den Füßen, da grinste Rorik mit teuflischer Unverschämtheit zu ihr herab, als der Priester ihn aufforderte, die Braut zu küssen, um das Gelübde zu besiegeln. Alaine stand wie benommen. Rorik hob mit einer Hand ihr Kinn, beugte sich zu ihr herab, während die andere ihren Hinterkopf bei der zärtlichen Berührung seiner Lippen festhielt. Es war kein leidenschaftlicher Kuß – ein leichter, flüchtiger Druck von Haut an Haut. Doch er raubte Alaine den Atem. Sie fühlte sich von der Stärke seines gestählten Körpers umfangen und beherrscht- ein nicht unbedingt unangenehmes Gefühl, stellte sie fest. Sie trennten sich schließlich, und es war, als hätte man eiskaltes Wasser über eine zarte, kleine Knospe gegossen, die sich eben zaghaft in ihrer Seele zu entfalten begann. Sie schreckte zurück, und sah ihren Gemahl entsetzt und verwirrt an.
»Lächelt, Mylady«, flüsterte er leise. »Das Volk jubelt Euch zu.«
Und so war es, obwohl Alaine bis zu diesem Augenblick das Freudengeschrei, das um sie herum wogte, nicht wahrgenommen hatte. Ohne zu überlegen und wie traumbefangen, wandte sie sich um und winkte, und auch Rorik tat das gleiche. Der Jubel steigerte sich weiter, als schließlich Pater Sebastian ihnen bedeutete, ihm in die Kirche zum Hochamt zu folgen.
Nach der Messe ritten Rorik und Alaine gemeinsam zurück auf die Burg. Jetzt auf dem Rückweg saß Alaine nicht auf einem Maultier, sondern auf einer prachtvollen Stute, deren edler Stammbaum sich in jeder anmutigen Linie und lebhaften Gebärde ihres Kopfes zeigte. Sie war eine Hochzeitsgabe Roriks. Alaine war es schwergefallen, ihre unbändige Freude darüber in einem schicklichen Rahmen zu halten, als Rorik sie zu der sanftäugigen Stute geführt hatte.
Ein üppiges Festmahl erwartete sie im Saal. Das neuvermählte Paar und seine edlen Gäste setzten sich an die Tafel und wurden von einem vielversprechenden Ansturm köstlicher Düfte von Wachteln am Spieß, Lammbraten, Schweinefleisch und Wildbret, Käsesuppen, Fisch, Wasserkresse und Kohl überwältigt. Zider, Wein und Bier flossen im Überfluß, dazu Serat, ein Getränk aus gegorener Buttermilch, die mit Zwiebel und Knoblauch zum Sieden gebracht und danach in geschlossenen Behältern gekühlt wurde. Maudie und ihre Küchengehilfinnen hatten sich die ganze Woche hindurch abgeplackt und waren über sich selbst hinausgewachsen.
Tische wurden für die Dorfbewohner und Burgleute mit den gleichen Speisen im Burghof gedeckt. Nach zwei Jahren schlechter Ernte und magerer Kost, schlemmte das einfache Volk mit Begeisterung und gab damit Roriks Gastlichkeit alle Ehre. Inständig hoffte Alaine, daß die kommende Ernte ertragreich sein würde, denn sicherlich waren die Vorratskammern durch dieses opulente Mahl beinahe
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