Die Herrlichkeit des Lebens
Preise, aber davon will sie nichts hören. Bist du dir das nicht wert? Mir bist du alles wert. Morgens, wenn sie aufsteht, überlegt sie lange, was sie für ihn anzieht, steht im Bad, legt ein wenig Rouge auf, gerade so viel, dass er es nicht bemerkt.
Franz hat sie gefragt, was sie sich zum Geburtstag wünscht. Er kann vor lauter Husten minutenlang kaum sprechen, selbst im Gehen nicht, denn wenn es sehr schlimm ist, steht er auf und versucht zu gehen, langsam, in kleinen Schritten, während es ihn schüttelt. Er winkt ab, jetzt nicht, es ist zu dumm, gibt er zu verstehen, versucht zu lächeln, wenngleich es eher eine Grimasse wird.
Er hat die halbe Nacht gehustet, deshalb sind sie an ihrem Geburtstag völlig übermüdet. Aber sie zieht das grüne Kleid an, weil er immer behauptet, das sei Müritz. Er sagt, wie hinreißend sie darin aussieht, dass er an ihre Mutter denkt, denn ohne die Mutter hätte er sie nicht. Ihr zuliebe versucht er zu essen, möchte, dass sie Blumen für sich besorgt, und tatsächlich geht sie gegen Mittag los und kauft einen Strauß Osterglocken. Als sie zurückkommt, ist er ernsthaft krank. Er schläft, sie sitzt am Bett, fühlt seine heiße Stirn, er beginnt zu reden, wirres Zeug, aber er wirkt nicht gequält, wird kurz wach und lächelt, taucht wieder weg.
Sie brauchen dringend einen Arzt. In Breslau vor Jahren, fällt ihr ein, hat sie einen kennengelernt, er ist wie sienach Berlin gegangen und arbeitet im Jüdischen Krankenhaus. Dr. Nelken. Erst erreicht sie ihn nicht, bittet um Rückruf. Nach zwei Stunden, als der Rückruf ausbleibt, versucht sie es ein zweites Mal, diesmal mit Erfolg, ja, Breslau, er verspricht, sich zu beeilen.
Franz sieht fürchterlich aus. Er ist aufgestanden und hat sich angezogen, empfängt den Arzt im Anzug, schildert seinen Fall, lässt sich untersuchen. Viel machen kann man nicht. Der Arzt ist ein kleiner drahtiger Mann und sagt, was sie längst wissen. Sie müssen hier weg. Das habe ich mir gedacht, sagt Franz. Jetzt ist er ihr doch sehr fern, wie er da steht, gegen die Fensterbank gelehnt, mit diesem Lächeln, als wolle er Dr. Nelken sagen, dass sein Besuch leider reine Zeitverschwendung gewesen ist.
Da sich Dr. Nelken geweigert hat, ein Honorar anzunehmen, schickt ihm Franz tags darauf ein Buch über Rembrandt. Sie bringt es zur Post, steht lange in der Schlange, nachdenklich und betrübt. Franz hat sie nicht direkt getadelt, dass sie neuerlich einen Arzt gerufen hat, aber sie hat sehr wohl bemerkt, dass es ihm nicht recht war. Auch dass sie die Sache Elli am Telefon erzählt, wäre ihm wahrscheinlich nicht recht, sie steht unten in der Halle und sagt nur Bekanntes, lässt sich den neuesten Stand bei der Sanatoriumssuche berichten; man streckt in alle Richtungen die Fühler aus, hat aber leider noch keine Lösung.
Sollen sie wirklich zusammen nach Prag? Für Franz scheint das so gut wie festzustehen, für ein paar Tage, bevor es weiter nach Davos geht, wie die Pläne weiterhin lauten. Ohne sie mache er keinen Schritt, sagt er, so seltsam es bei seinen Eltern auch werden mag, so sehr er sich vor Wochen noch dagegen gewehrt hätte. Sie reden lange von der Stadt, was er ihr zeigen möchte, falls er dazu in derLage ist. Er ist guter Dinge, sein Verlag hat den Vertrag für das neue Buch geschickt, es gibt Geld, bevor das Buch überhaupt da ist, eine unglaubliche Summe, behauptet er, und für einige Stunden ist das seine Freude.
Mit Prag weiß sie nicht recht.
Judith ist zum ersten Mal in der Heidestraße, sie bringt Pralinen, nachträglich zum Geburtstag, und versucht, den beiden Mut zu machen. Franz liegt auf der Veranda und beklagt, dass man viel zu wenig voneinander weiß, sie haben die Zeit nicht gut genutzt, denn nun sind sie bald fort, verstreut in alle Winde. Judith reist doch nicht im Mai, sondern schon Ende des Monats. Franz gibt ihr die Adresse der Bergmanns, für den Fall, dass sie Hilfe braucht oder sich in der alten Sprache unterhalten will. Er hofft, dass sie ihnen schreibt, wie so viele andere habe er von Palästina nur geträumt, und Sie also fahren wirklich hin, bitte vergessen Sie uns nicht. Er klingt traurig und ernüchtert, dann wieder macht er Scherze, wenigstens ein reicher Mann wird er in Kürze sein, ziemlich berühmt, wenn er sich nicht irrt, mindestens so berühmt wie Brenner.
Das Geld vom Verlag ist noch nicht da, aber er fängt schon an, es auszugeben. Er schreibt an Elli, dass er seine Schulden bei der Familie begleichen will,
Weitere Kostenlose Bücher