Die Herrschaft der Drachen 01 - Bitterholz
Drachen hassen uns. Wenn wir den König umbringen, zögern wir das Unvermeidliche nur hinaus.«
»Das Unvermeidliche? Ihr akzeptiert es als unvermeidlich, dass wir verlieren werden?«
»Zwanzig Jahre lang habe ich Drachen getötet. Was habe ich damit bewirkt? Es gibt heute so viele Drachen wie damals, als ich begonnen habe. Sie pflanzen sich so schnell fort, wie ich sie töte.«
»Ihr seid nur ein einzelner Mann gewesen«, sagte sie. »Ich werde bei Euch sein.«
»Es ist zu spät«, erwiderte Bitterholz mit einem Seufzer. »Mein Leben ist vollkommen verschwendet.«
Es schockierte Jandra nicht, diese Worte zu hören. Seit Bitterholz festgenommen worden war, hatte sie seine Verzweiflung gesehen. Dennoch zog sie Ermutigung aus der Tatsache, dass er gekommen war, um mit ihr über seine
Entscheidung zu sprechen. Sie wertete es als Zeichen seines Wunsches, dass sie seine Meinung änderte.
»Ihr irrt Euch«, sagte sie sanft. »Ihr glaubt, dass Ihr den Krieg nicht gewinnen könnt, wenn Ihr nicht auch den letzten Drachen auf der Erde getötet habt. Ich stimme Euch zu, dass das unmöglich ist. Aber erkennt Ihr nicht, dass das für den wahren Sieg unnötig ist? Menschen und Drachen haben seit Jahrhunderten Seite an Seite gelebt. Die meisten Drachen hassen die Menschen nicht und würden nur zu gern zu unserem friedlichen Miteinander zurückkehren, wenn Albekizan erst beseitigt worden ist.«
Bitterholz schüttelte den Kopf. »Du glaubst, dass Friede mein Ziel ist? Du kennst mich nicht. Niemand kennt mich.«
»Ich weiß, dass Ihr ein starker, eigenwilliger Mann seid, der für das kämpft, was er für richtig hält.«
»Nein«, sagte Bitterholz.
»Kommt schon. Ihr seid Bitterholz. Ihr seid für diese Leute eine Legende, selbst wenn sie zu blind sind, um Euch zu erkennen. Ihr seid ein Held.«
»Sie nennen mich den Geist-der-tötet. Ich bin ein toter Mann. Ich bin gestorben, als Drachen meine Familie getötet haben. Als ich gesehen habe, was sie getan hatten, war es, als wäre mein Herz in meinem Innern erstarrt. Mir ist seither nicht mehr warm geworden.«
»Das tut mir leid«, erwiderte Jandra. »Ich habe meine Familie ebenfalls an Drachen verloren. Es ist vor langer Zeit geschehen. Ich kann mich nicht an sie erinnern. Ich kenne nicht einmal ihre Namen.«
»Die Erinnerung ist ein Fluch«, sagte Bitterholz. »Du kannst dich glücklich schätzen, dass du entkommen bist.«
»Glücklich«, sagte Jandra und bemerkte, wie bitter das Wort schmeckte. »Ich glaube nicht, dass Glück irgendetwas damit zu tun hatte, dass ich überlebt habe.«
»Ich meinte nicht, dass du dich glücklich schätzen kannst, weil du überlebt hast«, sagte Bitterholz. »Sondern weil du dich nicht erinnerst. Die Erinnerungen werden dich verbrennen und alles in dir versengen, was weich ist, und nur harten, heißen Hass zurücklassen. Hass kann sich wie Leidenschaft anfühlen, wie Leben, wenn alles andere fehlt. Es führt dazu, dass du dich stark fühlen kannst und zielgerichtet, begierig darauf, etwas gegen die Quelle des Hasses zu unternehmen. Aber jetzt …«
Seine Stimme erstarb, und er wandte den Blick von Jandra ab.
»Und jetzt?«, fragte sie.
»Hass war alles, was ich hatte. Ich erkenne, dass meine größte Stärke auch meine größte Schwäche war. Mein Hass hat mich am Laufen gehalten, er hat mir ein Ziel gegeben. Aber er hat mich verdorben. Ich bin ein Instrument der Finsternis geworden, und jede meiner Handlungen hat nur Zerstörung gebracht. Wenn ich vorhergesehen hätte, dass Bodiels Ermordung einen Völkermord zur Folge haben würde, glaubst du, ich hätte den Pfeil abgeschossen? Für mich ist der Zeitpunkt gekommen, da ich mich dem Unvermeidlichen füge und keinen Schaden mehr anrichte. «
Jandra dachte über seine Worte nach. Sie war überrascht, wie sehr sie auch auf sie zuzutreffen schienen. Sie wollte Vendevorex hassen. Sie war sicher, dass er ihre Wut verdient hatte und es keinen Raum für Vergebung geben
konnte. Wollte sie wie Bitterholz werden? Konnte sie Vendevorex für immer hassen und dabei nicht ihre Seele verlieren?
Plötzlich blieb Bitterholz stehen. Jandra hob den Kopf, sah die Straße entlang dorthin, worauf seine Aufmerksamkeit gerichtet war. Ein älterer Erddrache hielt mit hoch erhobenem Schwanz auf sie zu, schrie und trat in seiner Eile so fest gegen den Boden, dass er eine Staubwolke aufwirbelte.
»Mein Gott«, sagte Bitterholz. »Es ist einer von ihnen!«
Jandra bemerkte, dass die Leidenschaft in seine Stimme
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