Die Herrschaft der Drachen 01 - Bitterholz
der
Jandra stand. Ihre Miene war leer, als würde sie unter Schock stehen. Ihre rubinroten Flügel breiteten sich beiderseits von ihr wie ein Teppich über den Boden aus. Sie hielt die Vorderklauen an die Brust gedrückt, als könnte sie ihr Herz brechen spüren. Das flackernde Licht erweckte den Anschein, als würden ihre fedrigen Schuppen sich in einer Brise bewegen. Neben ihr lag ein riesiger Speer von zwanzig Fuß Länge, wie ihn nur Sonnendrachen wie sie selbst schwingen konnten.
»Mylady«, sagte Jandra und eilte zu ihr. »Ich bin gekommen, um Euch bei der Verteidigung der Burg zu helfen.«
Chakthalla folgte Jandra mit den Augen, als sie sich näherte, aber sie sagte nichts.
»Chakthalla? Wenn Ihr mir sagt, wie ich Euch helfen kann, tue ich es. Meine Fähigkeiten sind nicht so groß wie die von Vendevorex, aber ich kann mich unsichtbar machen und einfache Materialien verwandeln, und …« Jandra verstummte, als sie den Thron erreichte.
Chakthalla starrte sie weiter an, aber jetzt konnte Jandra das dunkle Blut sehen, das ihr am Kinn hinunterlief.
Jandras Augen wanderten zu den juwelenbesetzten Krallen des Drachen. Sie konnte die schönen roten Schuppen vor Feuchtigkeit glänzen sehen. Rote Flüssigkeit tropfte auf den Marmorboden.
Chakthalla ließ die Klauen zu den Seiten herabsinken. Jetzt kam die gewaltige Schnittwunde in der Brust zum Vorschein. Ihre Augen schlossen sich, als ihr Körper zu zucken begann, dann vom Thron rutschte und vor Jandras Füßen liegen blieb.
Eine lange Metallklinge ragte aus ihrem Rücken; sie
glänzte im Feuerschein. Hinter dem Thron tauchte plötzlich eine Klaue auf, die so tiefgrün war, dass sie beinahe schwarz wirkte. Lange Nägel gruben sich in den Satin. Dann sprang der Attentäter auf den Thron und hockte sich auf die Lehne. Es war ein Erddrache, einer der Schwarzen Schweiger, einer Einheit der Drachenarmee, die zur Spionage und zum Meuchelmord ausgebildet wurde. Einige Umwandlungen hatten dieser Untergruppe der Erddrachen einen tieferen Ton gegeben als ihren Brüdern und sie mit unnatürlicher Geschwindigkeit ausgestattet. Die Augen des Drachen brannten wie schwache Kohlen, als sie Jandra musterten. Dann verlagerte sich sein Blick zu der Klinge in Chakthallas Rücken.
»Wieso versuchst du nicht, das Schwert zu ergreifen?«, zischte der Attentäter. »Du könntest es schaffen.«
Jandra drehte sich um, um wegzulaufen, griff nach dem Staub in ihrem Beutel, um sich unsichtbar zu machen. Sie warf den Staub in die Luft, aber es war bereits zu spät. Der Drache versetzte ihr einen Stoß in den Rücken, und sie fiel vornüber. Der Attentäter war nicht größer als sie, aber viel kräftiger. Sein Gewicht presste sämtlichen Atem aus ihr heraus, als er sie auf den kalten, harten Boden niederdrückte.
Während er sie weiter mit seinem Gewicht festnagelte, packte der Drache ihre Haare mit seiner linken Klaue und zog ihren Kopf zurück. Ihr Mund öffnete sich zu einem stummen, atemlosen Schmerzensschrei. Die scharfen Nägel seiner rechten Klaue blitzten vor ihren Augen.
»Chakthalla war zu wichtig, um mit ihr zu spielen«, flüsterte der Attentäter, dessen Schnabel dicht bei ihrem Ohr war. »Jetzt, da meine Arbeit getan ist, glaube ich allerdings,
dass ich es mir verdient habe, mich einen Moment an deinen Schreien zu erfreuen.«
Er zog seine Klaue über ihre Wange; die Nägel fuhren mit gerade so viel Kraft über ihre Haut, dass sie sie nicht zerschnitten. Jandra spürte die scharfen Klauen über ihre Wange streicheln, ihr Kinn und ihre Kehle. Beim leisesten zusätzlichen Druck würden sich ihre Venen öffnen.
Glücklicherweise waren da noch Spuren von Silberstaub an ihren Fingern. Jetzt erwies sich das Erlernen des Nahkampfes, zu dem Vendevorex sie gedrängt hatte, doch noch als nützlich. Sie packte den Drachen am Handgelenk und konzentrierte sich. Mit der gleichen Fähigkeit, mit der sie Pets Hemd in ein Seil verwandelt hatte, begann sie die Haut und die Knochen ihres Attentäters neu zu formen. Sein Handgelenk schmolz unter ihren Fingerspitzen … zu langsam. Er schrie vor Schmerz auf. Dann, mit einer schlitzenden Bewegung, riss er die verletzte Klaue hoch und von ihr weg.
Einen halben Herzschlag lang spürte Jandra gar nichts. Sie versuchte zu atmen, aber es endete damit, dass sie Blut schluckte. Sie hustete, versprühte dünne karmesinrote Gischt auf den Marmor. Erst jetzt begriff sie, dass er ihr die Kehle aufgeschlitzt hatte.
Kapitel Elf
Fleisch
D afür wirst du
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