Die Herrschaft der Drachen 01 - Bitterholz
aber sie schaffen es nicht einmal, die Breitseite einer Scheune zu treffen. Sie sind nur wirkungsvoll bei einem Massenangriff, nicht, wenn es um ein einzelnes Ziel geht. Ich glaube nicht, dass ein Erddrache ein weiter entferntes Ziel so gut anvisieren kann wie wir.« Er reichte Pet eine Handvoll Pfeile. »Wenn du den Mumm hast, gegen einen Drachen zu kämpfen, ist ein Bogen eine gute Wahl. Wenn du dir ein Ziel aussuchst und nicht in Panik gerätst, kannst du den Drachen töten, ehe er dir zu nahe kommt.«
»Ich habe Mumm, alter Mann«, sagte Pet.
»Das bezweifle ich«, erwiderte Bitterholz. »Aber ich vermute, du wirst es herausfinden.«
Bitterholz steckte die restlichen Pfeile in seinen Köcher und ging ohne ein weiteres Wort an ihm und Jandra vorbei.
»Bastard«, fauchte Pet, als der Bogenschütze um die Ecke verschwand.
»Dann ist er wohl gerade noch davongekommen?«, sagte Jandra.
Pet zuckte mit den Schultern. »Er ist ein alter Kerl und einen Fuß kleiner als ich. Es wäre gemein gewesen, gegen ihn zu kämpfen.«
»Gemein dir gegenüber, meinst du.«
»Würdest du bitte aufhören, dich über mich lustig zu machen? Ich bin kein …«
»Wir sollten besser zurückgehen«, schnitt Jandra ihm das Wort ab. »Es kann nicht mehr lange dauern, bis der Tag anbricht.«
Als wären ihre Worte gehört worden, begann ein Hahn in der Ferne zu krähen. Nachdem Jandra sie beide erneut unsichtbar gemacht hatte, führte Pet sie wieder durch den Turm hinauf und zur Mauer, über die sie zum Thronsaal gelangten. Der Himmel im Osten war heller als das letzte Mal, da sie – vor nicht allzu langer Zeit – an der gleichen Stelle vorbeigekommen waren. Auf den Feldern unter ihnen konnten sie die feindliche Armee sehen, die einen riesigen Kreis bildete. Innerhalb dieses Kreises befanden sich die Dorfbewohner.
»Was geht da vor?«, fragte Pet und blieb stehen, um sich die Sache näher anzusehen.
»Ich weiß es nicht«, sagte Jandra. »Aber es sieht nicht so aus, als würden sie sich zum Angriff bereitmachen. Vielleicht hat Vendevorex Zeit für seine Heilung.«
In der Mitte des Kreises konnte Pet drei flache Wagen erkennen, die zusammengeschoben worden waren und so eine Plattform bildeten. Ein riesiger Sonnendrache stand darauf; eine metallene Rüstung glänzte auf seiner Brust.
»Verdammt«, sagte Jandra. »Das ist Kanst. Er ist unmittelbar Albekizans Befehl unterstellt.«
»Was hat er vor? Wieso hat er die Dorfbewohner versammelt? «
»Wer weiß das schon?«, sagte Jandra. »Gehen wir zurück.«
»Noch nicht«, sagte Pet. »Ich will wissen, was da vorgeht. Ich kenne viele von diesen Leuten.«
»Dafür ist keine Zeit«, erwiderte Jandra und zog an seinem Arm. »Vendevorex ist schon zu lange allein.«
Pet gab nicht nach. »Da geht etwas Wichtiges vor. Ich spüre es.«
»Vielleicht teilt Kanst den Leuten einfach nur die neuen Gesetze mit. Sagt ihnen, wer die neuen Herren sind.«
Pet war verärgert über Jandras abschätzigen Ton. »Was muss eigentlich geschehen, dass du mich endlich einmal ernst nimmst? Ich will das hier sehen. Wir müssen wissen, was der Feind vorhat, wenn wir lebend hier rauskommen wollen, oder?«
Jandra verzog das Gesicht. »Also schön. Gut. Bleib du hier. Ich gehe zurück.«
»Ich bin nicht mehr unsichtbar, wenn du weggehst.«
»Niemand ist noch da, der dir etwas tun könnte.« Jandra deutete mit einer ausladenden Geste auf die Leichen der gefallenen Wachen. »Versteck dich auf der Mauer. Sie können dich von da unten nicht sehen. Stell dich nicht immer an wie eine Heulsuse.«
»Aaaarg!«, rief Pet wütend und verärgert. Dann bekam er Angst, dass er laut genug gewesen sein könnte, um unten gehört worden zu sein, und duckte sich hinter die Mauer. »Wirst du endlich damit aufhören?«, flüsterte er. »Was muss eigentlich passieren, damit du mich nicht mehr für einen Feigling hältst? Ich habe einen Drachen mit einem Speer angegriffen, der dreimal zu groß für mich war, um ihn ordentlich benutzen zu können. Ich bin bei dir geblieben, um dir zu helfen, deinen Herrn zu retten, als ich auch
hätte weglaufen können. Was ist nötig, um dich zu beeindrucken? Muss ich da runtergehen und ganz allein gegen sie alle kämpfen?«
»Oh. Habe ich deine Gefühle verletzt?«, fragte Jandra.
»Ja!«, zischte Pet. »Ich glaube nicht, dass ich diesen ständigen Spott verdient habe.«
»Du hast recht«, entgegnete sie. »Ich werde versuchen, ihn besser zu verteilen.«
Pet riss die Hände hoch. »Schön!«,
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