Die Herrschaft der Drachen 03 - Blasphet
Lippen einen Schimmer von Silber. Sie schloss die Augen, als das Metall über ihre Wangen und ihre Nase floss und über die Stirn kroch. Innerhalb von Sekunden war jedes bisschen sichtbare Haut von dem flüssigen Metall eingehüllt. Shay hielt den Atem an, während Jandra reglos dastand. Sie hielt die Augen geschlossen, und ein Ausdruck intensiver Konzentration lag auf ihrem silbrigen Gesicht.
Als sie die Augen wieder öffnete, waren sie nicht mehr haselnussbraun, sondern jadegrün.
Echs bohrte seine Klauen tief in Shays Waden. »Guter Häuptling?«, flüsterte er.
»Jandra?« Shay trat näher zu ihr, um sicherzustellen, dass seine Augen ihm keinen Streich spielten. »Alles in Ordnung?«
Jandra grinste. Sie trat auf Shay zu und legte ihm einen Arm um die Schulter, dann zog sie sein Gesicht zu sich heran und drückte ihre Lippen auf seine. Ihre Lippen waren kühl und viel glatter als Fleisch, aber immer noch weich. Ihre Zunge glitt zwischen seine Zähne. Auch sie war kühl und glatt und mit Silber umhüllt.
Jandra gab einen wohligen Seufzer von sich, als sie ihre Hand über seinen nackten Rücken gleiten ließ. Sie packte sein Gesäß in einer Weise, die ihn entsetzte, trotz ihrer vorherigen Vertraulichkeiten. Er stand still wie eine Statue und atmete nicht einmal, als sie ihn berührte.
Ihre Zunge hörte auf, sich in seinem Mund zu bewegen. Sie zog den Kopf zurück und musterte sein Gesicht. Dann grinste sie wieder. Sie kicherte und trat zurück, kicherte noch heftiger.
»Was ist so witzig?«, fragte Shay.
Jandra lachte jetzt wild und hielt sich den Bauch, als Silbertränen ihre Wange hinunterliefen. Ihr Lachen wurde schroff, beinahe kreischend. Echs grub seine Klauen noch tiefer in Shays Beine.
»Habe ich etwas falsch gemacht?«, fragte Shay.
»Hat sie mit dir geschlafen?«, fragte Jandra, während sie zu Atem zu kommen versuchte.
Shay zog die Stirn finster zusammen.
Jandra richtete sich auf. Sie wischte sich die Tränen von den Wangen und deutete mit den Händen auf ihren Körper. »Ich meine, sieh mich doch nur an! Ich bin heiß! Wieso verschwende
ich meine Zeit mit irgendeinem dürren, sommersprossigen Sklavenjungen? Jeder Mann im Königreich würde dafür töten, mich berühren zu können. Wahrscheinlich sogar die Hälfte der Frauen.«
Shay runzelte die Stirn.
»Nimm’s nicht persönlich. Ich habe dich geküsst, weil du, he, du warst gerade passend, und es war eine nette Art, diesen Moment zu feiern. Aber ich will dich nicht mehr. Ich werde mir von jetzt an hochwertigere Partner suchen.«
»Jandra?«, flüsterte Shay.
Die Frau schüttelte den Kopf. »Rate nochmal.«
Jasmine Robertson, Göttin, Hackerin und Computerfreak, hatte stets auf einem rasiermesserscharfen Grat gelebt. Mit neunzehn hatte sie die FBI-Liste der zehn meistgesuchten Flüchtigen angeführt, woraufhin sie eine bezahlte Führung durchs Weiße Haus buchte, um das gebührend zu feiern. In dem Sommer, in dem ihre Erdbefreiungs-Armee die Bombe gezündet hatte, der das Washington Monument zum Opfer fiel, hatte sie als Praktikantin für Senator Coe gearbeitet. Als sie schließlich die Stadt verlassen musste, um dem sich immer enger zusammenziehenden Netz zu entkommen, wachten alle Mitglieder des Senats mit Nullsalden auf ihren Bankkonten auf, während sie, zumindest auf dem Papier, die achtreichste Frau der Welt war. Nicht, dass sie sich jemals etwas aus Geld gemacht hätte. Geld war nur dann nützlich, wenn man zu der Sorte Verlierer zählte, die sich tatsächlich die Mühe machte die Dinge zu bezahlen, die sie haben wollten.
Aber trotz ihres rebellischen, unbekümmerten Wesens hatte sie auch immer einen vorsichtigen, ja sogar konservativen Zug besessen: Sie hatte nie vergessen, ein Backup ihrer Daten zu erstellen.
Jazz streckte ihren neuen Rücken. Er fühlte sich an, als hätte Jandra auf Steinen geschlafen, was vermutlich auch der Fall gewesen war. Jandras Körper war außerdem von Prellungen und Schürfwunden übersät, von denen manche sich an schwer zugänglichen Stellen befanden, die auf interessante Geschichten hindeuteten. Sie fühlte sich eigenartig … lebendig. Regelrecht hormondurchflutet.
»Jep!«, sagte sie. »Ich bin wieder siebzehn!«
Der schlaksige, rothaarige Junge auf der anderen Seite der Grube starrte sie an. Unter dem schmutzigen Einteiler, der wie eine umgekehrte Schürze von seiner Taille hing, zitterte etwas. Entweder versteckte sich ein verängstigter Drache zwischen seinen Beinen, oder er war
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