Die Herrschaft der Orks
blecherne Klang des Visiers, das nach oben geschoben wurde.
Überrascht darüber, noch am Leben zu sein, riskierte Rammar einen blinzelnden Blick – und schnappte geräuschvoll nach Luft, als er sah, wer im Inneren des Kaldronen kauerte.
Kein anderer als Dag!
Aryanwen stürzte zu ihm, und sie fielen einander in die Arme. Irgendwie musste es dem Jungen gelungen sein, sich der Maschine zu bemächtigen und sie gegen ihresgleichen einzusetzen! Erst jetzt erkannte Rammar, dass die Wiese von Trümmern übersät war. Die abgetrennten Gliedmaßen und rauchenden Hüllen zweier Kaldronen lagen dort, und der Ork begriff, dass es nicht das Massaker an ihren Gefährten gewesen war, das sie mitangehört hatten, sondern der Kampf der Kaldronen untereinander.
Und Balbok?
Wo war Balbok?
»Achgosh douk« , hörte Rammar in diesem Moment jemanden hinter sich sagen und fuhr herum – nur um in die langen, kuhäugigen Züge seines Bruders zu blicken.
Balbok sah abgekämpft aus, hatte Rußflecken im Gesicht und ein paar leichte Verbrennungen davongetragen, und in den Klauen hielt er immer noch eine der Riesenäxte, die er offenbar einem der Kaldronen entwunden und dann gegen ihn eingesetzt hatte.
Rammar konnte nicht anders, als erleichtert zu schnaufen. »Nein«, erwiderte er auf Orkisch. »Mir gefällt deine Visage noch immer nicht. Aber ich bin froh, dass du noch lebst.«
»Ehrlich?«, fragte Balbok.
»Korr.« Rammar grinste breit. »Aber ich warne dich davor, das auszunutzen, umbal! «
20.
OG LIOSG
Dem Seeufer folgend kamen die Gefährten rasch voran. Um die Wargen abzuschütteln, die womöglich auf sie angesetzt worden waren, bewegten sie sich im seichten Uferwasser, und um ihre Spuren zu verwischen; als der neue Tag anbrach, suchten sie Zuflucht in einer Höhle und ruhten sich aus bis Sonnenuntergang. Erst bei Einbruch der Dunkelheit setzten sie ihren Marsch fort, und so hielten sie es auch weiterhin.
Zwei Nächte lang folgten sie so dem Lauf des Flusses in östlicher Richtung, ehe sie schließlich auf den Damm stießen, den die Zwerge errichtet hatten, um das Wasser des Eisflusses aufzustauen – und auf den vorgeschobenen Posten, den Winmars Schergen am anderen Ufer errichtet hatten.
Da die Aufmerksamkeit seiner Besatzung nach Süden gerichtet war, gelang es den Gefährten, im Schutz der Dunkelheit daran vorbeizukommen, ohne auf weitere Kaldronen oder andere Hindernisse zu stoßen. Und so kam es, dass die Orks und ihre menschlichen Begleiter die Grenzen des Zwergenreichs hinter sich ließen und die Hochebene von Ansun erreichten.
Zwar entsann sich Rammar dunkel, dass sich das aus der Vereinigung der Städte Sundaril und Andaril hervorgegangene Herzogtum von Tirgaslan losgesagt hatte und mit dem Reich im Krieg lag, jedoch war ihm alles lieber, als noch länger bei den Hutzelbärten zu bleiben. Er hatte genug von ihren Bärten, ihren Äxten und ihrer Rachsucht, und er wollte sich auch nicht länger von Wurzeln und Beeren ernähren müssen wie die letzten Tage über. Kaum hatten sie die Grenze überquert, schickte er Balbok auf die Jagd, und zur Verblüffung aller kehrte dieser kurz darauf mit einem ganzen Bündel Hasen zurück. Zwar gab es keinen Kessel, in dem man bru-mill zubereiten konnte, und streng genommen war Hase auch nicht die richtige Zutat, aber Rammar war alles recht, wenn er nur endlich wieder etwas Fleisch zwischen die Zähne bekam.
Entsprechend guter Laune war er, als sie – zum ersten Mal nach Tagen, an denen sie sich versteckt, und nach Nächten, in denen sie erbärmlich gefroren hatten – wieder an einem wärmenden Feuer saßen und den Hasen beim Braten zusahen.
»Habe ich es nicht gleich gesagt?«, tönte er. »Ich habe nie daran gezweifelt, dass wir den Hutzelbärten entkommen würden.«
»Tatsächlich?« Aryanwen lächelte schwach. »Ich schon. Ich hatte Angst, dass sie uns noch einholen könnten. Aber wie es aussieht, haben sie nicht einmal nach uns gesucht.«
»Weil sie nicht wussten, dass wir uns nach Osten abgesetzt haben«, erklärte Rammar in seltenem Überschwang. »Dieser Tunnel war eng, aber hilfreich. Ich frage mich nur, wie du davon wissen konntest, Mensch!«
»Weil ich vor einigen Jahren bereits einmal dort gefangen war«, erwiderte Dag, der sich über die vergangenen Tage erholt hatte und wieder halbwegs aufrecht ging. »Ich war noch ein halbes Kind und begleitete meinen Onkel im Grenzland bei der Jagd. Dabei stieß ich auf eine Patrouille der Zwerge, die mich gefangennahmen
Weitere Kostenlose Bücher