Die Herrschaft der Orks
und nach Gorta Ruun verschleppten.
Da sie nichts mit mir anzufangen wussten, steckten sie mich in die Küche zum Arbeitsdienst. Einige Wochen lang war ich dort, als ich einige Ratten beobachtete, die offenbar einen Weg nach draußen kannten, denn ihr Fell war oft voller Schlamm und Erdreich und nass, wenn es regnete. Also beschloss ich irgendwann, ihnen zu folgen – und entdeckte auf diese Weise den Tunnel. Ich besorgte mir heimlich Werkzeug, öffnete die Eisengitter – und so entkam ich.«
»So viel Hirn hätte ich dir nicht zugetraut«, anerkannte Rammar. »Und den Weg hast du dir gemerkt?«
»Durch diese Röhren«, entgegnete Dag, »bin ich seither in unzähligen Albträumen gekrochen, wieder und wieder. Der Weg hat sich so in mein Gedächtnis eingebrannt, dass ich ihn selbst im Schlaf finden würde.«
»Ein Glück«, lachte Aryanwen, die neben ihm am knisternden Feuer saß und sich an ihn schmiegte. Sie fror in ihrem zerschlissenen Kerkerkleid, und er legte den Arm um sie, um sie ein wenig zu wärmen. »Du hast uns alle gerettet.«
»Nein«, widersprach Dag, »der wahre Dank gebührt Balbok. Wenn ich daran denke, dass er einen Kaldronen mit bloßen Händen niedergerungen hat …«
»Und wenn schon«, schnarrte Rammar mit einem neidischen Seitenblick auf seinen Bruder, der jenseits der Lichtung auf einem Felsen hockte und das Lager bewachte. »Jeder Ork hätte das gekonnt.«
»Es war unglaublich«, berichtete Dag weiter. Er starrte in die Flammen, während sich die aufregenden Ereignisse vor seinem geistigen Auge zu wiederholen schienen. »Indem Balbok den Kaldronen zu Boden zwang, verschaffte er mir Gelegenheit, das Visier zu öffnen. Ich glaube, der Zwerg im Inneren hat nie begriffen, wie ihm geschah. Im nächsten Moment befand ich mich bereits in dem Todeskessel und schwang die Axt gegen die anderen Kaldronen, die völlig überrascht waren. Auf diese Weise haben wir den Kampf für uns entschieden.«
»Es stimmt also doch«, ergänzte Aryanwen an Rammar gewandt. »Ihr seid die Helden aus alter Zeit.«
»Ich hab dir doch schon ein paar Mal gesagt, dass du uns nicht so nennen sollst«, knurrte Rammar.
»Aber wieso nicht?«
»Ganz einfach – weil in dieser Bezeichnung gleich zwei Beleidigungen stecken: Mein Bruder und ich sind weder irgendjemandes Helden noch sind wir alt.«
Aryanwen schmunzelte. »Königin Alannah hatte recht«, stellte sie fest. »Alles, was sie in ihrem Buch über euch geschrieben hat, ist wahr.«
»Die muss es ja wissen.« Ein wölfisches Grinsen spielte um Rammars Züge. »Damit sind wir beim Kern der Sache – denn genau dieses Buch, Prinzesschen, will ich haben. Also wo ist es?«
»Nicht hier«, erwiderte sie.
»Hältst du mich für so bescheuert? Ich weiß schon, dass du es nicht hinterm Ohr versteckt hast. Aber ich weiß auch, dass es sich in deinem Besitz befindet. Dag hat behauptet, es wäre an einem geheimen Ort in Tirgaslan versteckt.«
»Ja«, stimmte sie zu, »das war es auch.«
»Was soll das heißen?«
»Dass es nicht mehr dort ist.«
»Wo dann?«
»Das weiß ich nicht.«
Rammar sprang auf und schnappte nach Luft, seine milde Stimmung war schlagartig verflogen. »Ver shnorshe mich nicht, Prinzessin, oder ich verfüttere dich und deinen Jüngling an den nächsten Warg!«
»Beruhige dich, Rammar«, sagte sie gleichmütig. »Das Buch ist verschwunden.«
»Verschwunden!«
»Das sagte ich gerade.«
»Aber wer …? Wie …?« Der dicke Ork stand wie versteinert. Er merkte, wie ihm das Blut in die Beine sackte, und ihm war klar, dass er mit offenem Mund und stierem Blick einen ziemlich lächerlichen Anblick bieten musste, aber er konnte nichts dagegen tun.
»Auch das weiß ich nicht«, erwiderte die Prinzessin. »Alles, was ich weiß, dass es aus seinem geheimen Versteck entnommen wurde.«
»Wann ist das geschehen?«, wollte Dag wissen.
»Wenige Tage, bevor ich meine Reise nach Smerada antrat. Ehe ich von den Zwergen entführt wurde.«
»Interessant«, meinte Dag.
Aryanwen senkte die Brauen. »Ich fürchte auch, da besteht ein Zusammenhang.«
»Schmarren, das Ganze!«, platzte Rammar dazwischen, noch ehe Dag antworten konnte. »Das habt ihr beide euch doch nur ausgedacht, um uns zu ver shnorshen !«
»Nein«, widersprach die Prinzessin und hob die Hand, »das ist die Wahrheit, ich schwöre es dir!«
»Auf deine Schwüre ist geschissen, Herzchen«, herrschte Rammar sie an, »und auf deine Wahrheit auch! Ich will sofort das Buch, oder ich werde euch
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