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Die Herrschaft der Zaren - Russlands Aufstieg zur Weltmacht

Die Herrschaft der Zaren - Russlands Aufstieg zur Weltmacht

Titel: Die Herrschaft der Zaren - Russlands Aufstieg zur Weltmacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Klußmann
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Schweden sind tot, 3000 geraten in Gefangenschaft. Auf russischer Seite sind etwa 1300 Soldaten gefallen. Peters Sieg bei Poltawa bringt im Nordischen Krieg die endgültige Wende. Rasch aktiviert der Zar die Bündnisse mit Sachsen-Polen und Dänemark, auch Brandenburg-Preußen tritt der Allianz bei. Peter beherrscht nun die baltischen Gebiete des schwedischen Königreichs. Bemerkenswert ist die Toleranz, mit der der russische Monarch den Städten und den Ritterschaften ihre Religionsfreiheit und Privilegien garantiert. Der Zar bestätigt Deutsch als Amtssprache – unter den Schweden gab es solche Freiräume nicht.
    1721 finden im schwedisch-finnischen Nystad die Verhandlungen über einen Friedensvertrag statt, sie dauern über drei Monate. Ihr Ergebnis: Schweden tritt Livland, Estland und Ingermanland, die Provinz rund um St. Petersburg, »für ewige Zeiten« an Russland ab, erhält aber Finnland zurück. Der Friede von Nystad stellt für Peter den »größten Erfolg seines Lebens« (Erich Donnert) dar. Russland ist jetzt die Führungsmacht im nordosteuropäischen Raum. Im Oktober treten in St. Petersburg der Senat und der Heilige Synod zusammen, jene von Peter eingesetzten obersten Instanzen weltlicher und geistlicher Kompetenz, die dem Zaren zuarbeiten wie Ministerien. Sie bitten, scheinbar von sich aus, den Herrscher um die Annahme der Ehrentitel »Vater des Vaterlandes, Allrussischer Kaiser und Peter der Große«. Der Zar nimmt an: festlich in der Dreifaltigkeitskathedrale, ausländische Würdenträger sind zugegen. Der Kaisertitel, in dem das gestiegene russische Selbstbewusstsein zum Ausdruck kommt, erinnert auch an den alten Anspruch Moskaus, es sei nach dem Fall von Byzanz 1453 das »Dritte Rom«.
    Peter bleibt der unermüdliche Erneuerer. 1722 führt er für alle Beamten und Würdenträger in Staat und Militär eine »Rangtabelle« mit 14 Klassen ein. Nicht Abstammung und Familien-Nimbus allein sollen über die gesellschaftliche Stellung entscheiden, sondern persönliche Fähigkeiten und Verdienste: Der Dienstadel tritt dem Erbadel zur Seite. Während der Zar auch noch diese Reform auf den Weg bringt, brechen seine Soldaten 1722 zum persischen Feldzug auf. Es ist der Versuch, am Kaspischen Meer Fuß zu fassen. Die Russen besiegen die Perser, Baku wird russisch.
    1724 gründet der Monarch in St. Petersburg die russische Akademie der Wissenschaften. Gespräche darüber hat er wohl schon 1711 mit dem Göttinger Philosophen Gottfried Wilhelm Leibniz geführt. Die neue Institution soll »unter den Russen solche ausfindig machen, die gelehrt sind«, was zunächst ziemlich schwierig ist. Unter den ersten 17 Akademiemitgliedern befindet sich kein einziger Russe. Im Mai 1724 krönt Peter seine Frau Katharina zur Kaiserin, ohne sie ausdrücklich als seine Nachfolgerin auszurufen, was sie dann aber 1725 für zwei Jahre wird. Die dramatische Art, wie der Zar Anfang 1725 stirbt, passt zu seinem turbulenten Herrscherleben: Auf einer Inspektionstour nahe der Newa-Mündung entdeckt Peter ein Boot, das der Sturm auf eine Sandbank geworfen hat. Einige Soldaten, die nicht schwimmen können, kämpfen in der rauen See um ihr Überleben, andere versuchen, den gekenterten Kahn wieder flottzumachen. Peter lässt sich zur Sandbank rudern, ungeduldig springt er schon vor der Sandbank über den Bootsrand, um schneller helfen zu können. Das eiskalte Wasser bekommt ihm schlecht: In der Nacht quälen ihn Fieber und Schüttelfrost, sein notorisches Blasen- und Nierenleiden meldet sich heftig zurück. Scheinbar erholt er sich wieder und erlaubt sich noch auf einem nachweihnachtlichen Fest exzessiven Alkoholgenuss. In der Nacht zum 8. Februar ruft er nach seiner Tochter Anna, der späteren Herzogin von Holstein-Gottorf. Als sie kommt, ist er schon bewusstlos, er stirbt gegen sechs Uhr morgens.
    Wer war nun Peter der Große? Groß war er gewiss nicht nur körperlich. Den einen gilt er als Genie, das dem breiigen Riesenland eine erkennbare und übersichtliche Form gegeben habe; den anderen gilt er als Mörder, als »gekrönter Tiger«, als Vernichter altrussischer Identität, als ungewöhnlich grausamer Tyrann; wieder anderen als Sittenverderber – wegen seiner Unterwerfung der Kirche unter die Autorität des Staates und wegen seiner Liebe zu den Frauen sowie zu den regelmäßigen »Narren- und Saufkonzilen«. Peter hat Russland im Kreis der europäischen Mächte etabliert. Er zivilisierte das Reich durch barbarische Formen des Kampfes

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