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Die Herrschaft der Zaren - Russlands Aufstieg zur Weltmacht

Die Herrschaft der Zaren - Russlands Aufstieg zur Weltmacht

Titel: Die Herrschaft der Zaren - Russlands Aufstieg zur Weltmacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Klußmann
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Imperator 25000 bis 40000 Mann und fast seine gesamte Artillerie.
NAPOLEON AN SEINE EHEFRAU MARIE-LOUISE
    Moskau, den 16. September 1812
    Meine Freundin!
    Aus Moskau schrieb ich Dir bereits. Ich hatte von dieser Stadt gar keine Vorstellung. Sie besaß 500 Paläste von gleicher Schönheit wie das Palais de l’Elysée Napoléon, auf französische Art mit unglaublichem Luxus möbliert, mehrere kaiserliche Paläste, Kasernen, großartige Spitäler. Alles ist verschwunden, denn seit vier Tagen verzehrt das Feuer die Stadt. Da alle kleinen Häuser des Bürgerstandes aus Holz gebaut sind, fangen sie Feuer wie Zündhölzer. Aus Zorn über die erlittene Niederlage haben der Gouverneur und die Russen diese schöne Stadt in Brand gesteckt. 200000 Einwohner sind in Verzweiflung auf der Straße und im Elend. Für die Armee ist immerhin noch genug übrig geblieben; sie findet viele Reichtümer aller Art, denn in dieser Unordnung gibt sich alles mit Plündern ab. Dieser Verlust ist für Russland ungeheuer groß; der russische Handel wird dadurch aufs Schwerste erschüttert. Diese Elenden sind in ihrem Vorsatz so weit gegangen, dass sie die Pumpen der Feuerwehr weggeschafft oder zerstört haben. Mein Schnupfen ist vorbei, meine Gesundheit ist gut. Adieu, meine Freundin.
    Ganz der Deinige
    Nap.
    Oder ist es der bittere russische Winter, der die Franzosen bezwingt? Dieses Bild hat Napoleon später selbst gern gezeichnet, und es hat sich in den Köpfen festgesetzt. Nach seinen Recherchen kommt der britische Historiker Lieven aber zu einem anderen Ergebnis: »Erst im Dezember, als der größte Teil der französischen Streitmacht bereits nicht mehr existierte, wurde der Winter ungewöhnlich kalt und hart.« Napoleon selbst erlebt das kaum noch. Am 5. Dezember verlässt er den kläglichen Rest seiner Armee und reitet nach Paris. Alexander feiert seinen Sieg mit einem Feuerwerk in Wilna, dort, wo er sieben Monate zuvor den Feind erwartet hatte. Mit großer Beharrlichkeit führt der Zar nun seinen Gegenschlag, der ihn bis zum Triumph auf den Champs-Elysées führt.
    Wieder muss er einige Widerstände in den eigenen Reihen überwinden. Kommandeur Kutusow zum Beispiel sieht nicht ein, warum es nötig sein sollte, Napoleon immer weiter nachzusetzen. Einem Vertrauten gesteht er allerdings, wie die Gespräche mit seinem Kaiser verlaufen: »Wenn er gegen meine Argumente nichts mehr vorbringen kann, umarmt und küsst er mich. Ich fange an zu weinen und stimme ihm zu.« Der Ruhm, den sich Alexander I. als Bezwinger Napoleons erwirbt, ist nicht von Dauer. Schon auf dem Wiener Kongress, der die alte europäische Ordnung festigt, fällt er mehr durch seine Amouren als durch politische Klugheit auf. Der überaus fromme Monarch nutzt seine Machtposition vor allem, um die reaktionäre Idee einer »Heiligen Allianz« der christlichen Herrscher zu propagieren. Man spottet über ihn. Heute ist Alexander I. nur ein Zar unter vielen. Den Namen seines französischen Gegenspielers kennt noch immer die ganze Welt.

TEIL III
    VERHINDERTE
REFORMEN

Der furchtsame Despot
    Aus Angst vor Rebellion regierte Zar Nikolai I.
wie ein Absolutist – und isolierte sich damit nicht nur
von Europa, sondern auch von seinem Volk.
    Von Carmen Eller
    N ikolais erster Tag als Zar soll gleich schon der letzte sein. So hoffen zumindest die Rebellen, die sich am 26. Dezember 1825 auf dem Senatsplatz von St. Petersburg versammeln. Sie wollen ein Machtvakuum nutzen, um die russische Autokratie zu stürzen. Nach dem Tod von Alexander I. hat sein Bruder Konstantin die Krone abgelehnt, widerwillig tritt nun der jüngere Bruder Nikolai die Nachfolge an. Der 29-jährige Großfürst erfährt vorab von der geplanten Rebellion – und rechnet mit dem Schlimmsten: »Vielleicht wird heute Abend niemand von uns mehr unter den Lebenden weilen, aber wir werden zumindest in Erfüllung unserer Pflicht sterben«, sagt er am Tag des Aufstands zu General Alexander von Benckendorff, seinem Freund und Adjutanten, einem Baltendeutschen. Gleich am frühen Morgen dieses 26. Dezember hat Nikolai den Generälen der kaiserlichen Garden befohlen, ihm den Treueid zu leisten. Noch im Winterpalast warnt er: »Nunmehr haften Sie mir mit Ihrem Kopf für die Ruhe in der Hauptstadt. Was mich angeht, werde ich mich der Ehre würdig erweisen, und sollte ich nur für eine Stunde Zar sein.«
    Anführer der Revolte waren Abkömmlinge angesehener Adelsfamilien. Junge Offiziere, die nach dem russischen Wort für Dezember

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