Die Herzen aller Mädchen
ich – wir –« Er fuhr sich über die Haare. »Glaub mir, das Letzte, was diese Ballier sich gewünscht haben kann, war, dass wir beide Samstagnacht zusammengeblieben sind.«
»Aber sie hat mich auf dich angesetzt! Lassen Sie ihn nicht aus den Augen, Frau Boll! Und immerzu dieses Gelaber von der Liebe! Liebe, Liebe!«
»Klar«, sagte Gregor bitter. »Die konnte ja nicht echt sein, nicht wahr?«
Jaecklein und Sahm-Nickel schauten wieder so komisch. Bettina sank in ihren Stuhl zurück.
Gregor dagegen beugte sich vor. »Die hat vielleicht befürchtet, dass wir aufeinander stehen. Und bestimmt wollte sie wissen, was Sache war. Darum hat sie gebohrt. Frau Ballier hat bloß richtig geraten, genau wie du.«
Bettina schüttelte den Kopf. »Du hast versucht, sie anzurufen.«
»Ich hab mich verwählt.«
»Drei Mal?«
»Hör mal, ich hatte eine verdammt lange Nacht hinter mir.«
»Du hast ihr eine Nachricht geschickt und sofort gelöscht.«
»Das mache ich immer so.«
»Wen wolltest du denn anrufen?«
»Rat mal. Ballier und Boll stehen in meiner Liste nebeneinander.«
»Wen?«
»Dich.«
Bettina blickte in Gregors graue Augen. Sie waren tief und rauchig und ernst, doch ganz am Grund stand ein kleiner Widerschein, da irrlichterte ein Flackern, da saß er, der Zocker, und spielte seinen Trumpf aus. Herz stach. Seltsamerweise machte das ihre Wut kleiner. »Du lügst«, sagte sie müde.
Sahm-Nickel hielt ihren Kopf auf die linke Handfläche geneigt und betrachtete sie andächtig. »Ich habe munkeln hören, Sie hätten diesen anderen Verdächtigen, den Schneider, schon vor einer halben Stunde gehen lassen«, sagte sie zu Jaecklein. »Wie es scheint, können Sie sein Alibi nicht widerlegen. Seine Frau liebt ihn.« Sie lächelte maliziös. »Bei Herrn Krampe und Frau Boll sieht es nach dem Gegenteil aus.«
Bettina starrte auf den Tisch, um nicht zu schreien. Ihre Nerven lagen blank.
»Die Frau Boll bereut vielleicht gewisse Dinge und möchte nun ihren Lieblingsverdächtigen zurück ins Rennen schicken, obwohl sie selbst seine Unschuld bezeugen kann. Oder sagen wir mal: muss.« Sahm-Nickel beugte sich vor und sprach wieder exklusiv zu Jaecklein. »Der Punkt ist doch, dass mein Mandant keinen Vorteil aus dem Diebstahl ziehen kann. Selbst wenn er am Gewinn aus dem Raub beteiligt wäre, würde das den Verlust seines Status, seiner Arbeit und Forschung nie aufwiegen. Er hat längst doppelt verloren. Inzwischen wackelt sein Arbeitsplatz gewaltig, und sein akademischer Ruf ist angekratzt. Und Sie wollen ihn ernstlich aufgrund solch wirrer Anschuldigungen anklagen.«
Bettinas Telefon klingelte. Gerade im rechten Moment.
Erleichtert erhob sie sich, ignorierte die missbilligenden Blicke, ging zur Tür hinaus und nahm den Anruf an.
»Hallo?«, sagte eine freundliche Stimme. »Spreche ich mit Frau Boll?«
»Ja«, sagte Bettina, schon wieder unwillig. Sie hasste Telefonwerbung. Die Anruferin hatte keine Nummer übermittelt, ihre Stimme klang irgendwie professionell, und beinahe hätte Bettina sie weggedrückt. Doch hier in dem kalten fremden Flur war es besser, wenn sie was zum Festhalten hatte. Dabei konnte sie runterkommen und eine rauchen. Sie tastete ihre Hosentaschen ab.
»Sie waren am Sonntag bei uns.«
»Frau Schneider!«, rief Bettina und vergaß die Zigaretten.
»Ja, ich bin’s, Frau Boll«, sagte Vera Schneider mit einer Stimme, die nicht zu dem dick zugekleisterten Gesicht passte, das Bettina in Erinnerung hatte. So körperlos durchs Telefon klang sie attraktiv. Und jung. Und klug. »Ich habe es mir überlegt. Das mit dem Buch. Weil … wir haben mitbekommen, dass jemand gestorben ist.«
»Margarete Syra«, sagte Bettina sofort. »Eine Kollegin. Sie wurde ermordet. Sie war eine wunderbare Frau.« Das meinte sie ernst.
»Schrecklich«, sagte die schöne Stimme abweisend. »Tja, und dieser Tod gefällt mir nicht. Ich möchte damit nichts zu tun haben.«
»Verständlich«, sagte Bettina von Herzen.
Schneider holte Luft. »Und ich hätte vielleicht einen Hinweis auf das Buch, das Sie suchen.«
»Oh. Gut.« Bettina setzte sich auf einen der Stühle, die im Gang herumstanden. Schmutzige, hässliche Stühle hatten sie hier in Frankfurt auf den Gängen. Passend für ein schmutziges, hässliches Gespräch. »Lassen Sie sich Zeit.«
»Sie nehmen das doch nicht auf?«, fragte Schneider. Sogar ihr Misstrauen hörte sich sympathisch an.
»Nein.« Bettina erhob sich wieder, dankbar für den Tipp. Diese
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