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Die Herzen aller Mädchen

Titel: Die Herzen aller Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Geier
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verdammt schlimm aus. Das ganze Blut … Zentrale? Der Lastwagen steht jetzt quer, der Audi ist im Arsch, die Frau ist – tot, und wo der Schneider selber ist, kann ich im Moment nicht erkennen.«
    Zwölf
    Am nächsten Tag meldete Bettina sich krank. Sie schickte Enno zur Schule, brachte Sammy in den Kindergarten, und dann legte sie sich ins Bett und beobachtete ihr Handy. Schlafen konnte sie nicht, obwohl sie wieder erst um fünf nach Hause gekommen war. Das Handy klingelte oft. Alle möglichen Leute riefen sie an. Die Zentrale. Härting. Nessa Kaiser. Jaecklein sogar. Ein paar anonyme Teilnehmer. Und Gregor. Da wäre sie beinahe drangegangen. Aber nur beinahe.
    Am nächsten Tag ließen die Anrufe nach.
    Tags darauf erhielt sie mit der Morgenpost einen dicken cremefarbenen Brief. Ihre Adresse war mit der Hand auf das schwere Büttenpapier geschrieben, und auf der Rückseite stand in schwungvoller Tintenschrift: Liebe ist langmütig. Absender waren Annette Hoppstädt und A. Willenbacher, und Bettina fragte sich eine Sekunde lang ernstlich, wer das war und woher sie diese Leute kannte. Erst, als sie schon die halbe Treppe wieder oben war, erkannte sie, was sie da in Händen hielt.
    Sie öffnete den kostbaren Brief nicht.
    Sie kehrte um und fuhr ins Büro.
     
    Es roch wie immer, nach Kaffee, nach Putzmitteln, nach vielen Menschen und ganz tief darunter nach dem Unaussprechlichen, das die vielen Verhörten und Verdächtigten in den langen Fluren hinterließen. Es war kein Geruch, den man als heimelig bezeichnen konnte oder auch nur als angenehm, aber er war zumindest anregend.
    Ihr Büro war leer.
    Sofort entspannte sich Bettina: kahle Wände, und von Nessa Kaiser auch keine Spur. Es war nett, erst mal allein zu sein. Zum Denken. Sie schob die vielen Umlaufmappen, die sich schon wieder auf ihrem Schreibtisch türmten, beiseite, stellte die Tasche mit ihrem Laptop achtlos auf den Boden und legte allein Willenbachers Brief vor sich auf die Schreibtischplatte. Auf dem zerkratzten weißen Melamin wirkte er wie eine Nachricht aus einer anderen Welt. Willenbachers Freundin (Verlobte?Ehefrau?) Annette hatte nicht gespart. Das Bütten war weich und flockig, die Tintenschrift tiefblau und zart, und der Spruch auf der Rückseite hörte sich irgendwie bekannt an. Doch nicht deshalb hatte der Brief in Bettina etwas angestoßen. Eher, weil er von Willenbacher war und gute Nachrichten verhieß. Weil bei seinem Anblick urplötzlich eine drückende Last von ihr abgefallen war und Platz gemacht hatte für kleine verrückte Gedanken. Weil sie sich jetzt zum Beispiel darüber wundern konnte, dass sie Willenbachers Namen im Absender nicht erkannt hatte. Sie war es gewohnt, Briefe an ihn anzunehmen, nicht aber von ihm. Diese kleine Änderung der Routine, die eigentlich schon keine mehr war, zeigte plötzlich eine Möglichkeit auf. Eine winzige geordnete Struktur im Chaos, eine kleine verrückte Lösung. Die keineswegs alles erklärte. Eigentlich erklärte sie nur Bettinas Kopfschmerzen, jenes umfassende Unwohlsein, das die unsichere und trotzige Nessa Kaiser ausgelöst hatte, als sie hier auf Willenbachers Platz so erschreckend gierig das Paket voll Tragödie und Bosheit ausgepackt hatte. Nur die Kopfschmerzen, dachte Bettina. Das war nicht viel. Doch den großen Überblick, wie Jaecklein ihn auf seinen Salattellern zelebrierte, den hatte sie sowieso nicht. Den würde es in diesem Fall nicht geben. Sie konnte nur versuchen, die Kopfschmerzen zu erklären, und von dort aus weitersehen. Also nahm sie ihren Telefonhörer zur Hand und führte, den cremefarbenen Brief stets fest vor Augen, drei Gespräche. Eins mit der Frankfurter Zentrale, eins mit der zugehörigen Spurensicherungsabteilung und das letzte mit einem überarbeiteten Pyrotechniker, der offenbar froh war, mal eine leicht lösbare Aufgabe zu bekommen. Das alles zusammen dauerte etwa eine halbe Stunde. Dann steckte sie den Büttenumschlag ungeöffnet in ihre Computertasche und nahm sich die Umlaufmappen vor.
     
    Gegen Mittag kam Nessa Kaiser aus dem Gericht. »Mahlzeit«, grüßte sie freundlich und warf eine rotgefärbte, leicht zottelige Haarsträhne zurück. Bettina störte sich nicht mehr daran, dass das aussah wie bei ihr selbst.
    »Hi«, sagte sie.
    »Zwei Sachen«, sagte Nessa ohne Umschweife. »Erstens: Du sollst sofort zu Härting.«
    Bettina seufzte.
    »Gemach«, sagte Nessa. »Er ist heute in Frankfurt.«
    Sie lächelten sich kurz an.
    »Zweitens möchtest du

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